Begegnungen

Jorge Suárez-Kilzi

Mittwoch 30 Oktober 2024

FOTOKREDIT: Carlota Delgado

Jorge Suarez Kilzi, Künstler und Designer mit spanisch-syrischen Wurzeln, lässt sich von seiner nomadischen Kindheit und von Erinnerungsobjekten inspirieren. Seine Werke sind von der japanischen Kultur und Architektur beeinflusst und stellen die Schönheit stets über die Funktionalität. Der in Barcelona lebende Künstler verfolgt einen nachhaltigen Ansatz und entwirft Objekte, die Generationen überdauern. Vor Kurzem hat er an der Neuinterpretation der DIVINE-Handtasche von Sessùn mitgewirkt und sich dabei von der Leichtigkeit des Meeres und der Sonne inspirieren lassen.

Könntest Du Dich bitte kurz vorstellen und uns ein wenig über Deinen Werdegang erzählen?

Mein Name ist Jorge Suarez Kilzi, und ich wurde als Sohn einer syrischen Mutter und eines spanischen Vaters geboren. Meine Kindheit ist stark von Reisen und Veränderungen geprägt, wodurch ich fremde Kulturen in erster Linie durch die Menschen in unserer näheren Umgebung, ihre Gewohnheiten, Küchen sowie vor allem durch ihre Gegenstände und Räume entdeckt habe. Somit lernte ich schnell, den Dingen, die wir mit uns führten, eine besondere Bedeutung beizumessen, sowie Objekte zu schätzen, die frühere Generationen mitführten, wenn sie in ein anderes Land zogen und einen Teil ihres „Zuhauses“ mitnahmen. Meine Kunst und Arbeit sind von diesen Realitäten geprägt, die gleichzeitig tiefgründig und leicht, weil mobil, sind. Sie konzentrieren sich auf Gegenstände, die Leben und Ausdruck vermitteln.

Wie gehst Du an die Kreation eines Objekts heran?

Ich hinterfrage die Grenzen der Funktionalität und entdecke dabei meine kindliche Neugier und meinen Forschergeist. Wenn ich ein Objekt entwerfe, gehe ich offen und unvoreingenommen an die Sache heran, frei von jeglichen vorgefassten Meinungen. Ich stelle mir einfach etwas vor und zeichne drauf los. Manchmal mehr, manchmal weniger erfolgreich, aber immer mit einem Quäntchen Fantasie, und stets ohne Angst oder einem besonderen Ehrgeiz. Ich mache es einfach aus Freude am Gestalten.

Was sind Deine wichtigsten Inspirationsquellen? Gibt es bestimmte Dinge, die Deine Arbeit besonders beeinflussen?

Wie schon gesagt, stammen meine Inspirationen vor allem aus meiner Kindheit und der Bedeutung, die die Gegenstände für mich damals hatten. Später nahmen auch meine Erfahrungen in Japan – durch traditionelle Konzepte wie „Ma“ und „Wabi-sabi“ sowie durch Neoarchitekten wie SANAA und Junya Ishigami – großen Einfluss auf meine Arbeit. Ich denke dabei besonders an die Architektur der Schreine, die die japanischen Künstler und Denker, die ich heute als Mentoren betrachte, so schätzen.

Wie gehst Du bei Deinen Entwürfen mit dem Gleichgewicht zwischen Ästhetik und Funktionalität um?

Für mich kommt die Schönheit immer vor der Funktionalität. Ich setze die Funktion eines Objekts niemals über das Empfinden und die Schönheit. Ich glaube nicht, dass man unbedingt ein Gleichgewicht finden muss. Man muss das Gleichgewicht fühlen können, und die Frage nach der FUNKTION spielt nur dann eine Rolle, wenn sie für mich Sinn macht.

Könntest Du uns Deinen Schaffensprozess in groben Zügen erläutern? Gibt es dabei bestimmte Phasen oder Rituale?

Wahrscheinlich bin ich am kreativsten, wenn ich allein bin. Wenn ich mit meiner eigenen Energie in Kontakt bin und mich innerlich ausgeglichen fühle, dann wird in mir eine gewisse Energie freigesetzt. Deshalb arbeite ich auch nicht an lauten Orten oder gar in einem Büro. Dort gibt es zu viele Menschen, die mir Fragen stellen, zu viele „materielle“ Realitäten und „To-Do-Listen“. All diese Dinge sind für mich das Gegenteil von Kreativität. Ich muss meinen eigenen Raum und meine Aura finden.

Inwiefern hat Dein Leben in Barcelona Deine kreative Perspektive und die Projekte, an denen Du arbeitest, beeinflusst?

Es hatte hauptsächlich einen umstandsbedingten Einfluss. In Barcelona habe ich eine Art von Architektur und Handwerk entdeckt, die mir aus meiner Jugend nicht vertraut war: das traditionelle mittelalterliche Erbe. Die langsamen, anonymen Prozesse und die Gebäude, die Komplexität und Harmonie vereinen, sind faszinierend. Ich bewundere diese Räume und fühle mich glücklich, von ihnen umgeben zu sein und sie täglich beobachten zu können.

Nachhaltigkeit gewinnt im Design immer mehr an Bedeutung. Wie integrierst Du umweltverträgliche Praktiken in Deine Arbeit?

Mein Ansatz zur Nachhaltigkeit unterscheidet sich wahrscheinlich von dem, was viele Menschen mit diesem Begriff verbinden. Ich bin überzeugt, dass das schnelle Konsumverhalten, minderwertige Produkte und die ständige Suche nach kurzlebigen Neuheiten Hauptursachen für Klimawandel und Abfall sind. Daher strebe ich danach, langlebige Stücke zu schaffen, die über Generationen hinweg geliebt werden können. Gegenstände, die man wertschätzt und nutzt, ähnlich wie die, die meine Familie vor vielen Jahren genutzt hat. Wenn ein Gegenstand über Jahrzehnte hinweg aufbewahrt werden kann, sehe ich das als echten Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Um das 10-jährige Jubiläum der Sessùn-Handtasche DIVINE zu feiern, haben wir fünfzehn Handwerker*innen, darunter auch Dich, eingeladen, diese symbolträchtige Tasche neu zu erfinden. Würdest Du uns mehr über Deine Teilnahme an diesem Projekt erzählen und uns verraten, wie Du die Divine umgestaltet hast?

Als ich die DIVINE-Handtasche zum ersten Mal sah, dachte ich an Leichtigkeit, Meer, Wind, Wasser und Sonne. Meine Kreationen sind oft von der Weichheit des Lichts inspiriert. Durch das Spiel mit der Textur der Tasche haben wir etwas Leichtes und Unaufdringliches geschaffen. Ich finde, dass unser Stück das Wesen der Tasche, ihre „Seele“, wirklich gut einfängt.

Was ist Dir von dieser Zusammenarbeit mit Sessùn in Erinnerung geblieben?

Aus der Zusammenarbeit mit Sessùn nehme ich vor allem die Erinnerung mit, die Marke genauer kennenlernen zu dürfen und den Austausch mit einem unglaublich herzlichen und gastfreundlichen Team, der sich durch das gesamte Projekt zog.

Welche Tipps würdest Du jungen Designer*innen geben, die einen ähnlichen Weg wie Du einschlagen möchten?

Wichtig ist, von Anfang an zu wissen, wofür man stehen möchte. Man kann nicht jeder sein. Man sollte immer man selbst sein. Vor allem auf der kreativen Ebene muss dies spürbar sein.

Hast Du irgendwelche Projekte, die Du mit uns teilen möchtest?

Ich habe viele Projekte am Laufen! Besonders freue ich mich darauf, demnächst nach Japan zu reisen, wo ich mit japanischen Herstellern in den Provinzen Chiba und Aomori zusammenarbeiten werde.

Was verbindest Du mit Sessùn?

Das Meer und die Sonne.

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