Begegnungen

Lucia Mondadori

Montag 25 November 2024

FOTONACHWEIS: Timothee Chambovet

Lucia Mondadori ist in einem künstlerischen und naturverbundenen Umfeld aufgewachsen, das ihre kreative Vision maßgeblich geprägt hat. Nach einer abwechslungsreichen und vielseitigen beruflichen Laufbahn in den Bereichen Grafikdesign, Literatur und Film, wandte sie sich in Paris der Keramik zu, in der sie die perfekte Balance zwischen Kunst und Kunsthandwerk entdeckte. Mit ihren skulpturalen Vasen und Totems erforscht sie organische Formen, die vom menschlichen Körper und der Natur inspiriert sind. Wichtig ist ihr dabei, stets eine intime und taktile Verbindung zum Ton zu bewahren. In ihrem Pariser Atelier formt sie jedes Stück mit minutiöser Hingabe und lässt sich von der Überzeugung leiten, dass Handwerk ein Akt der Verankerung und Harmonie ist.

Könntest Du uns mehr über Deinen Werdegang und Deine Ausbildung erzählen? Wie kamst Du zur Keramik? Gab es ein bestimmtes Ereignis, das Dir den Weg zur Keramik als Beruf eröffnet hat?

Ich bin auf einer Insel im Süden Brasiliens aufgewachsen, in einer sehr idyllischen, fast märchenhaften Umgebung. Meine Eltern sind in den 1980-er Jahren aus der Stadt dorthin gezogen. Die Insel beherbergte eine Mischung aus Fischern, Surfern, Künstlern und Intellektuellen. Die großen, von den Wellen geformten Granitsteine waren wie heilige Totems, die von den lokalen Dichtern besungen wurden – und zugleich unser Spielplatz.

Mit 13 Jahren malte ich Postkarten, kleine Fenster, die meiner Fantasie Raum gaben. Mit 16 Jahren begann ich eine Lehre bei einem Künstler und erhielt im Austausch für meine Hilfe Arbeitsmaterial sowie einen kleinen Bereich in seinem Atelier. Dort entstanden meine ersten weiblichen Figuren, Skulpturen von schwangeren Frauen aus Ton.

Jedoch bereitete mir die Kunst mit all ihren Unwägbarkeiten Angst. So absolvierte ich ein Doppelstudium in Grafikdesign und Literaturwissenschaft, studierte Film in New York, arbeitete in einem Verlag und schließlich mehrere Jahre in der Schaufenstergestaltung für eine große Marke.

2016 kam ich nach Paris. Ich war auf der Suche nach einer Umschulungsmöglichkeit und nach Geschirr für mein neues Zuhause. Da ich nichts fand, das meine Vorstellungen entsprach, beschloss ich kurzerhand, mir selbst etwas zu schaffen. So tauchte ich aus einer inspirierenden Laune heraus in die Welt der Keramik ein und machte sie zu meinem Beruf und meiner Leidenschaft. Das Schönste daran ist, dass ich mich heute wieder in dem jungen Mädchen erkenne, das früher in einer Ecke des Ateliers Skulpturen geformt hat.

Wie kam es zu Deiner Zusammenarbeit mit Sessùn Alma? Was bedeutet sie für Dich auf künstlerischer und persönlicher Ebene?

Meine Zusammenarbeit mit Sessùn Alma begann 2021. Seitdem werden jedes Jahr ausgewählte Stücke meiner Kollektion an die Flagshipstores der Marke, wie etwa den in Barcelona, sowie an die Pariser Boutiquen Charonne und Bachaumont verschickt. Unsere Universen verbinden sich auf ganz natürliche Weise. Die kreative Energie von Sessùn regt mich zu einem einfachen und entspannten Lebensstil an, bei dem das Schöne und das gut Gemachte im Mittelpunkt stehen. Jede Zusammenarbeit ist für mich eine neue Bereicherung und ermöglicht es mir, Beziehungen zu einer Gemeinschaft von Menschen zu pflegen, die eine besondere Vorliebe für schöne Materialien, Kunst und nachhaltige Mode haben.

Welche Resonanz findest Du in der Welt von Sessùn?

Die Welt von Sessùn passt durch ihren ästhetischen Ansatz und ihr Engagement für authentische Werte perfekt zu meiner eigenen kreativen Vision. Was mir an Sessùn von jeher gefallen hat, ist die Harmonie zwischen Schlichtheit und Eleganz, die Liebe zum Detail und das Streben nach Qualität. Man spürt eine tiefe Verbundenheit mit der Natur und eine echte Wertschätzung für das Handwerk, zwei wesentliche Aspekte meiner eigenen Arbeit.

Könntest Du uns Deinen kreativen Schaffensprozess, vom Konzept bis zur endgültigen Umsetzung, näher beschreiben?

In meiner Arbeit stehen organische Formen und die rohe Materie im Mittelpunkt meines Interesses. Mein Prozess beginnt mit der Abstraktion der Kurven des menschlichen Körpers und anderer lebender Formen, wie etwa Wurzeln oder Meereswesen. Ich zeichne sie und modelliere sie dann aus schamottiertem Steinzeug. Anschließend werden die Stücke getrocknet, abgeschliffen, glasiert und bei hoher Temperatur gebrannt.

Die Formen werden im Laufe der Jahre immer wieder überarbeitet. Dabei werden die  Kurven verfeinert und neu interpretiert, was jedem Stück seinen einzigartigen Charakter verleiht. Sie haben Namen und verkörpern eine Symbolik, obwohl ich mich gerne von dem inspirieren lasse, was sie in jedem Einzelnen hervorrufen. Es ist ein langsamer Prozess, der mich im Hier und Jetzt verwurzelt.

Auf welches Material und welche Technik greifst Du für Deine Kreationen gerne zurück, und warum schätzt Du sie besonders?

Ich arbeite ausschließlich mit Steinzeug, insbesondere mit schamottiertem Steinzeug. Dieser sehr mineralische und steinähnliche Ton lädt geradezu zum Berühren ein. Die Stücke warten förmlich darauf, in die Hand genommen zu werden, und mir gefällt diese anziehende, rohe Kraft. Die Verwandlung des Tons durch Feuer stellt ein so großes Universum dar, dass man ihm fast mehrere Leben widmen könnte.

Ich bevorzuge die natürlichen Farben des Tons, um seine Textur zur Geltung zu bringen. Zurzeit arbeite ich mit einer Technik, die auf dem Einsatz von Oxidsäften basiert und es ermöglicht, das Material zu färben, ohne die ursprüngliche Textur zu verlieren. So kann ich die Ästhetik und den taktilen Charakter jedes Objekts bewahren.

Was sind die wichtigsten Inspirationsquellen für Deine Arbeit?

Der Intuition kommt im Rahmen meines kreativen Schaffensprozesses eine zentrale Rolle zu. Oft erkenne ich die Quellen meiner Inspiration erst, wenn meine Arbeiten bereits fertiggestellt sind. Der Bezug zu den Kurven und rauen Texturen, die meine Objekte prägen, wurde mir zum Beispiel erst während einer Reise nach Brasilien bewusst, als ich an den von den Wellen geformten Felsen der Strände meiner Kindheit vorbeispazierte.

Außerdem haben die Werke großer Künstler wie Jean Arp, Barbara Hepworth und Brâncuși einen großen Einfluss auf mich. Ich nehme mir immer wieder die Zeit, ihre Formen zu betrachten und sie auf mich wirken zu lassen. In letzter Zeit interessiere ich mich besonders für die Abstraktion des Lebendigen und für Formen, die im Laufe der Zeit entstanden sind.

Wenn Du ein für Deine Arbeit emblematisches Objekt auswählen müsstest, welches wäre das und warum?

Es gibt zwei Formen, die in meiner Arbeit immer wieder auftauchen, und das von Anfang an: die skulpturale Vase Lilith und die Skulptur Aisha Totem. Bei der Lilith handelt es sich um eine Studie von großzügigen, asymmetrischen und dezentrierten Kurven. Gleichzeitig verweist sie auf eine feministische Bewegung, die in den 1970er-Jahren aufkam und Lilith als erste Feministin sowie modernen Mythos darstellt. Das Objekt Aisha Totem stellt für mich eine Wiederentdeckung der arabischen Welt dar, die ich bei meiner Ankunft in Europa gemacht habe. Ich begeistere mich für Geschichte, und insbesondere für Kulturgeschichte.

Was ist zurzeit Dein Highlight am Kunsthimmel?

In diesem Sommer habe ich zum ersten Mal die LUMA Arles besucht – allein die Location war schon ein echter Hingucker. Unter den vielen Ausstellungen hat mich besonders die von Erika Verzutti, einer zeitgenössischen brasilianischen Künstlerin, beeindruckt. Ich war fasziniert von ihren unendlichen Totems und Objekten, die an ein Kuriositätenkabinett erinnerten. Ihre Verwendung von Ton und Bronze verleiht ihren Kreationen eine organische und zeitlose Dimension. Die Rückkehr der Materie ins Herz der zeitgenössischen Kunst begeistert mich.

Kannst Du uns mehr über die Projekte erzählen, die Du derzeit planst oder in naher Zukunft in Angriff nehmen möchtest?

Ich bin gerade dabei, eine Serie von Skulpturen zu erweitern, die ich vor einigen Jahren begonnen habe. Mir wurde gesagt, dass sie an Symbole eines alten Alphabets erinnern - dieser Bezug hat mir sehr gut gefallen. Da ich oft voll und ganz von Aufträgen vereinnahmt werde, möchte ich mich diesem Projekt in Ruhe widmen können und es schaffen, eine Arbeitsreihe auszustellen. Ich habe auch eine Reihe von Workshops rund um die skulpturale Vase initiiert, da mir die Weitergabe von Know-how und der Austausch mit Gleichgesinnten am Herzen liegen. Die Arbeit im Atelier kann manchmal recht einsam sein.

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