Begegnungen

ANTES Architecture

Montag 8 Dezember 2025

FOTO-CREDITS: Floriane Retaux

Ein Treffen mit Capucine Guhur und Maëva Henninot, den beiden Gründerinnen von ANTES, einem jungen Architektur- und Designstudio, das aus einer engen Freundschaft und einer gemeinsamen kreativen Vision entstanden ist. Capucine und Maëva sind beide in Marseille ansässig und entwerfen Räume, in denen Material, Geschichte und handwerkliches Know-how miteinander in Dialog treten.

Ihr poetischer und zeitloser architektonischer Stil, der ANTES ausmacht und von den Orten sowie den Handwerker*innen geprägt ist, mit denen sie zusammenarbeiten, zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Projekte – angefangen bei der Umgestaltung der Sessùn-Boutique in Marseille, die wie ein edles Schmuckkästchen aus mineralischen Werkstoffen konzipiert ist, bis hin zu ihrer Mitarbeit am Sessùn-Projekt REEL in Shanghai, das an ihre Arbeit mit Stroh anknüpft.

Könntet Ihr Euch zunächst kurz vorstellen und uns etwas über Euren jeweiligen Werdegang erzählen?

Wir sind beide Absolventinnen der École Camondo, aber aus zwei verschiedenen Jahrgängen. Unsere Wege kreuzten sich zum ersten Mal in der Agentur, in der wir beide für eine bestimmte Zeit tätig waren. Aus dieser Begegnung entwickelte sich zwischen uns schnell eine fast geschwisterliche Verbindung. Seitdem stehen wir sowohl privat als auch beruflich in ständigem Austausch. Wir haben den Weg der jeweils anderen stets mit Bewunderung verfolgt und im Laufe der Zeit festgestellt, dass sich unser ästhetisches Empfinden und unsere kreative DNA fast wie von selbst ergänzen. Als wir später in derselben Stadt – in Marseille – wieder zueinander fanden, deuteten uns mehrere Ereignisse, wie unsere zufälligen Begegnungen auf Baustellen, bei Kunden oder Handwerkern, sowie andere kleine Fügungen des Lebens, den Weg, dem Schicksal zu folgen.

Wie ist das Projekt ANTES entstanden? Was war der Auslöser für dieses gemeinsame Abenteuer?

ANTES entstand aus unserem geteilten Wunsch, zu wachsen, neue Wege zu gehen, uns zu emanzipieren und gemeinsam eine Vision von Architektur und Design zu erkunden, die uns gleichermaßen am Herzen liegt. Bei jeder von uns beiden haben bestimmte potenzielle Projekte den Wunsch geweckt, unsere Kräfte zu bündeln. Die Idee, unser eigenes Studio zu gründen, entstand wie von selbst und sehr schnell.

Capucine, Du hast 2023 die erste Ausgabe des Sessùn Craft Prize gewonnen. Inwieweit hat diese Erfahrung Deine weitere Arbeit beeinflusst oder Dir neue Perspektiven eröffnet? Dieses Projekt hat auch das architektonische Konzept von REEL Shanghai angeregt. Könntest Du uns etwas mehr darüber erzählen?

Dank meiner Auszeichnung mit dem Sessùn Craft Prize im Jahr 2023 erschloss sich mir eine kreative Welt, die mir bis dahin völlig unbekannt war. Der Preis war eine echte Chance und ein Sprungbrett, das mir anschließend ermöglichte, mehrere Pop-up-Stores für die Marke zu entwickeln. Unsere Zusammenarbeit war von Anfang an von natürlicher Harmonie geprägt: alle Projekte verliefen reibungslos, fast so als hätten wir schon immer zusammengearbeitet. Der Craft Prize brachte mir auch ein Arbeitsmaterial näher, mit dem ich mich zuvor nie beschäftigt hatte – Stroh – und ermöglichte mir den Austausch mit bemerkenswerten, neugierigen und aufgeschlossenen Handwerker*innen.

Das Projekt der Sessùn-Boutique REEL in Shanghai setzt meine bisherige künstlerische Entwicklung ganz klar fort, denn es ist sowohl von meiner Arbeit für den Craft Prize als auch von den von mir für die Marke entwickelten Pop-up-Stores inspiriert. Maëva, das Sessùn-Team und ich hatten das Gefühl, dass es hier eine Geschichte zu erzählen gab und dass dieses Material im Dialog mit chinesischer Handwerkskunst eine ganz neue Form von Poesie entstehen lassen könnte.

Ihr habt vor Kurzem die Sessùn-Boutique in Marseille umgestaltet. Könntet Ihr uns etwas mehr über dieses Projekt erzählen, zum Beispiel über Eure Intentionen, die Wahl der Materialien und das Ambiente, das Ihr schaffen wolltet?

Sessùn hat uns für die Renovierung ihrer Boutique großes Vertrauen geschenkt. Wir wollten einen Ort schaffen, der zugleich schlicht, raffiniert, warm und farbenfroh wirkt und die Garderobe der Marke optimal zur Geltung bringt. Wir haben das Projekt wie ein Schmuckkästchen konzipiert und auf einen starken und gleichzeitig bewusst ruhigen Raum gesetzt, in dem Materialien und Textilien im Mittelpunkt stehen und ihre Wirkung entfalten dürfen.

Die architektonische Hülle ist von den Säulen der Architektur mediterraner Tempel, wie sie insbesondere in Italien und Griechenland zu finden sind, inspiriert, um auf natürliche Art und Weise an die Ursprünge der Marke anzuknüpfen. Zusätzlich betont wird diese Intention durch eine mineralische Materialität, die das Gesamtbild prägt. Die Materialien, die eine südliche Atmosphäre erzeugen, bilden einen Kontrast zu dem sehr dunklen Boden, der die skulpturale Wirkung der Hülle noch betont.

Um den Ort mit einzigartigen Stücken zu ergänzen, die wie Kunstwerke wirken, ergab sich die Zusammenarbeit mit Künstler*innen und Handwerker*innen wie von selbst.

Was sind Eure wichtigsten Inspirationsquellen, sei es bei der handwerklichen Arbeit, im Design oder bei der Erkundung neuer Materialien?

Unsere wichtigsten Inspirationsquellen finden wir in unserer Umgebung. Wir stammen beide aus der Bretagne und dem Norden Frankreichs, und obwohl das Mittelmeer unseren Alltag prägt, sind wir besonders empfänglich für Einflüsse aus unserer Heimat, die Rohstoffe und die Geschichte der Orte. Wir finden unsere materielle Inspiration in verschiedenen Epochen und Stilrichtungen und zögern nicht, manchmal auch verschiedene Materialien miteinander zu kombinieren, um zeitlose Raumwelten zu schaffen.

Für das Projekt habt Ihr mit mehreren Handwerker*innen zusammengearbeitet. Würdet Ihr uns etwas mehr über sie und ihr Know-how sowie über Eure Auswahlkriterien verraten?

Wir wollten von Anfang an mit sehr kontrastreichen Materialkombinationen experimentieren: Glas, poröse oder auch hochglänzende Keramik, Materialien, die kraftvoll und zart zugleich wirken. Wir spielen gerne mit diesen Gegensätzen, und unsere Entscheidung, diese in das Projekt einzubinden, hat sich als ideal erwiesen. Der Dialog zwischen diesen Materialien ist zutiefst poetisch und das einfallende Licht sorgt zudem für ausdrucksstarke Effekte. Wir haben die von Studio Mo-Mo entwickelten Leuchten und Fassadenelemente gezeichnet, die durch die feine handwerkliche Arbeit der Glaskünstlerin Claire Pegis noch veredelt wurden.

Die Bildhauerin Léa Bigot entwarf die Präsentationsstelen, die die Accessoires der Marke schön zur Geltung bringen, während Victor Marqué ein Fliesenensemble für den Kassenbereich kreierte, deren Kurven und Linien direkt vom Sessùn-Universum inspiriert sind.

Unser Ziel war es, das handwerkliche Können aller Beteiligten sichtbar zu machen und zugleich eine fröhliche, harmonische Gesamtkomposition entstehen zu lassen!

Wie würdet Ihr im Rahmen dieser Zusammenarbeit die Begegnung zwischen Eurem künstlerischen Universum und der Welt von Sessùn beschreiben?

Die Welt von Sessùn steht in natürlicher Resonanz mit unserer: uns verbindet ein feines Gespür für Materialien und der gemeinsame Wunsch, Handwerkskunst sichtbar werden zu lassen. Vor dem Hintergrund einer schnelllebigen Welt, in der dem Künstlichen viel Raum zukommt, teilen wir den Wunsch, die typischen Gesten, das Know-how und die Zartheit der Handarbeit zu bewahren.

Ihr arbeitet derzeit an neuen Projekten: Könntet Ihr etwas mehr darüber erzählen?

Wir arbeiten gerade an zwei Wohnprojekten sowie an einem im Herzen von Paris gelegenen Sternerestaurant. Als junges Studio haben wir das Glück, mit Kunden zusammenzuarbeiten, die großen Wert auf sorgfältig ausgewählte Materialien legen und uns diesbezüglich rasch ihr Vertrauen schenken.

Zudem sind wir in Gesprächen über ein Hotelprojekt, dessen Umsetzung in Kürze bestätigt werden dürfte. Und natürlich würden wir uns sehr freuen, nach den Boutiquen in Shanghai und Marseille, weitere Verkaufsräume für Sessùn oder andere Modehäuser entwerfen zu dürfen!

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