Begegnungen

Célia Bruneau

Dienstag 30 März 2021

Célia Bruneau hat uns einen Tag lang in ihre Pariser Wohnung eingeladen und uns Einblick gewährt in ihr künstlerisches Universum - die Stickerei.

WER BIST DU UND WOHER KOMMST DU?
Ich heiße Célia, ich bin 1992 geboren und in einem Vorort von Paris aufgewachsen.
KÖNNTEST DU DU EIN PAAR WORTE ZU DEINEM WERDEGANG SAGEN?
Nach meinem Abitur in Kunstgeschichte und meinem Diplom in Modedesign habe ich eine Menge Erfahrungen gesammelt. Mir hat es immer Spaß gemacht, verschiedene Dinge auszuprobieren, andere Welten zu entdecken und natürlich musste ich auch Geld verdienen, um meine Miete in Paris bezahlen zu können. In gewisser Weise war mein Alltag von jeher durch kreatives Schaffen bestimmt und vor drei Jahren entschloss ich mich dazu, dies zu meinem Beruf zu machen. Ich wollte mich frei fühlen. Also gab ich meinen Job in der Modebranche und ein paar Monate später auch meine Wohnung auf, um auf Weltreise zu gehen. Ich wollte einfach für eine Weile abschalten und irgendwann wieder heimfinden. Ich habe den ersten Lockdown in Los Angeles verbracht und diese Zeit als Chance genutzt, neue Projekte zu schaffen und umzusetzen.
WIE SIEHST DU DIE KUNSTWELT VON HEUTE?
Ich habe das Gefühl, das Kunst durch die sozialen Netzwerke und das Internet globaler und verfügbarer wird. Kreatives Schaffen wird offener, kollektiver und zugänglicher. Dadurch ergeben sich neue Mischungen und faszinierende Einflüsse. Kunst wird als vollwertige Arbeit wahrgenommen und anerkannt, und zwar in all ihren Ausprägungen, angefangen bei der Brotbackkunst über die Malerei bis hin zur Nail Art. Ich vermisse heute vor allem die direkte Begegnung mit der Kunst. Die Möglichkeit, ins Museum, in die Oper, ins Theater oder in ein Konzert zu gehen. Deshalb sammle ich immer noch mehr Bilder, Bücher, Musik und Filme. Allerdings sind die Empfindungen bei deren Betrachtung nicht desselben.
WARUM STICKEREI?
Ich kam eigentlich durch Zufall und aus Langeweile auf das Sticken. Durch das gleichzeitige Arbeiten an verschiedenen Projekten und in unterschiedlichen Bereichen, konnte ich mir meine Freiheit und Kreativität bewahren. Die Stickerei wurde im Laufe der Jahre für mich zu einer unverzichtbaren und immer wiederkehrenden Beschäftigung. Für mich ist das Sticken eine Technik, die es mir ermöglicht, auf sehr persönliche und spontane Weise den Rhythmus einer Linie, von Farben, eines Universums und einer Landschaft, die ich im Kopf habe, auszudrücken. Ich hatte oft den Eindruck, dass meine Zeichnungen ihre eigentliche Daseinsberechtigung erst durch die Stickerei erhielten. Meine Zeichnungen haben einen naiven und instinktiven Touch, sie bringen meine Farb- und Kompositionsvorstellungen zum Ausdruck. Die Stickerei bietet mir generell mehr Ausdrucksmöglichkeiten, sie betont diese naive Komponente und bringt gleichzeitig eine gewisse Komplexität ins Spiel, und zwar durch die spezielle Technik, die Details, das Spiel mit den Farben und die schimmernden Fäden… Die Stickerei erfordert Genauigkeit und bricht mit der Unmittelbarkeit einer Linie auf dem Papier. Sie erfordert Geduld und lädt zum Nachdenken ein.
WELCHE BOTSCHAFT MÖCHTEST DU DURCH DEINE KREATIONEN VERMITTELN?
Ich habe keine bestimmte Botschaft zu vermitteln, außer vielleicht Emotionen?
WAS INSPIRIERT ODER BEEINFLUSST DEIN KÜNSTLERISCHES SCHAFFEN?
Die Landschaften, die ich sticke, sind Ausdruck eines Moments, eines Gefühls, das ich bezüglich eines Ortes verspüre. Sie sind auch Ergebnis langer, realer Beobachtungen oder Betrachtungen von Fotografien, die ich angefertigt habe, um darauf immer wieder Neues zu entdecken, um verschiedene Sichtweisen auszudrücken, Perspektiven zu verändern und um dem betreffenden Ort mit jedem Mal auf eine andere Weise darzustellen. Die gewählten Formen und Farben drücken meinen Wunsch nach Darstellung, den Wunsch, meine Gefühle hinsichtlich dieser Horizonte mit dem Betrachter zu teilen, aus. Ich betrachte auch viele Bilder. Meine Einflüsse sind breit gefächert, Georgia O'Keeffe, David Hockney, japanische Drucke, Nicolas de Staël, Choreographen wie Martha Graham oder Pina Bausch... Besonders gerne aber entdecke ich Zeichen der Vergangenheit: antike Steine, mittelalterliche Abbildungen, ob aus Europa oder Asien, Stiche der Sternbilder, architektonische Details, Fresken... Manchmal entsteht aus einem einzigen Fragment eines Objekts eine Idee oder ein Impuls.
DU BESTICKST AUCH KLEIDUNG, WAS IST DEINE VISION VON MODE?
Mode hat mich schon immer begleitet und inspiriert. Ich habe eine besondere Vorliebe für Vintage, die Freude, Einzelstücke zu finden, Outfits nach eigenen Maßstäben zusammenzustellen, Farben zu mischen. Seit einigen Jahren fühle ich mich bei der Auswahl meiner Kleidung spontaner und befreiter von Modediktaten. Ich bewundere das Aussehen und das Auftreten von Menschen und so beeinflussen mich meine Freunde und Freundinnen letztendlich mehr als irgendwelche Seiten von Zeitschriften.
WIE WÜRDEST DU DIE TYPISCHE SESSÙN-FRAU BESCHREIBEN?
Universell, frei und kreativ.
WENN DU EINE ZEITREISE MACHEN KÖNNTEST, WELCHE EPOCHE WÜRDEST DU DANN GERNE BESUCHEN UND WARUM?
Ich würde mir meinen Kindheitstraum erfüllen und für nur drei Tage und drei Nächte ins Neue Reich des Alten Ägypten reisen.
WAS IST DEIN LIEBLINGSORT, DER ORT, AN DEM DU ENTSPANNEN UND NEUE KRAFT TANKEN KANNST?
Mein Bett, unter Wasser oder auf den Höhen eines Berges oder eines Vulkans.
WO SIEHST DU DICH IN ZEHN JAHREN?
Ich sehe mich in einem schönen und hellen Atelier in Paris, auf einer griechischen Insel oder sonst wo arbeiten.

Vielen Dank an Celia für diese wertvolle Zeit.

Bildnachweis: Louis Thomas und Jeanne Perrotte

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