Begegnungen

Atelier Sao

Freitag 27 September 2024

FOTOKREDIT: Ludovic Charles

Anne-Sophie Ricco gründete nach Abschluss ihrer Ausbildung zur Kunsttischlerin unter dem Namen Atelier Sao einen kreativen Raum, der der Bearbeitung von Massivholz gewidmet ist. Inspiriert von ihren Reisen nach Afrika, ihrer Tätigkeit im kulturellen Bereich und ihrer Leidenschaft für das Kunsthandwerk, stellt sie hier einzigartige Objekte her, die sich an der Grenze zwischen Möbeln und Skulpturen bewegen. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der DIVINE-Handtasche von Sessùn gestaltete Atelier Sao das Kultobjekt nach eigenen Vorstellungen und unter Verwendung verschiedener Hölzer um. Ein Treffen mit der Künstlerin.

Könntest Du Dich kurz vorstellen und uns ein wenig über Deinen beruflichen und künstlerischen Werdegang erzählen?

Ich heiße Anne-Sophie Ricco und habe mich Ende 2021, nach Abschuss meiner Berufsausbildung an der Ecole Boulle in Paris, mit Holzarbeiten selbständig gemacht. Als Teenager hatte ich das Glück, in Afrika zu leben. Dort sah ich viele Statuen, Möbel und funktionale Gegenstände aus Holz, die mit der Zeit eine besondere Patina entwickelt hatten.  In meinem früheren Berufsleben war ich im Kulturbereich, in der Filmbranche und in der internationalen Zusammenarbeit tätig. Diese Erfahrungen sowie meine Auslandsaufenthalte haben mich sehr geprägt und führten dazu, dass ich im Laufe der Zeit eine ausgeprägte Sensibilität für die verschiedenen Formen des Kunsthandwerks sowie für das edle, anspruchsvolle, lebendige und vielseitige Material Holz entwickelt habe. 
Vor drei Jahren verspürte ich den Wunsch, mein Berufsleben auf eine kreative Tätigkeit hin auszurichten, die mit viel handwerklicher Arbeit einhergehen sollte. Und wie selbstverständlich motivierte meine Liebe zu Holz meine berufliche Umorientierung. 
Ich habe daraufhin Atelier Sao gegründet, eine Werkstatt, die sich ausschließlich der Arbeit mit Massivholz verschrieben hat und in Kleinstserien Objekte zum Verkauf anbietet, die sich an der Grenze zwischen Möbeln und Skulpturen bewegen.

Was hat Dich dazu bewegt, Dein kreatives Projekt „Atelier Sao“ zu nennen?

Es ist eine Anspielung auf den afrikanischen Kontinent, den ich damit würdigen wollte. Das Volk der Sao ist eine alte Zivilisation in Zentralafrika. Den Legenden zufolge waren die Sao Künstler und hatten übermenschliche Ausmaße sowie wundersame Kräfte. Ich selbst bin zwar nicht sehr groß, aber ich dachte mir, dass mir diese Legenden vielleicht Kraft für mein Projekt verleihen würden.

Wie würdest Du Deine Beziehung zu den Materialien beschreiben, die Du für Deine Kreationen verwendest?

Sensibel, emotional und kontemplativ. Und spielerisch. Schließlich spiele ich mit Essenzen, Unebenheiten, dem Unerwarteten und Experimentellen, um Stücke herzustellen, in denen verschiedene Texturen, Farben und Formen miteinander in Dialog treten.

Mit welchen Materialien und Techniken arbeitest Du am liebsten? 

Ich arbeite ausschließlich mit Massivholz und hauptsächlich mit französischen Holzarten, wobei ich, wenn verfügbar, eine gewisse Vorliebe für die Arbeit mit Obsthölzern (Pflaume, Birne) habe. Manchmal verarbeite ich auch Edelhölzer, wie Wenge oder Padouk, die aus Holzabfällen stammen. Mein erster Auftrag war ein zweitüriger Schrank, dessen Design von den Werken des Möbeldesigners Jean-Michel Frank inspiriert war. Er sollte komplett aus massiver, strukturierter Eiche gearbeitet sein und ein sehr unregelmäßiges, verschrammtes, fast „beschädigtes“ Aussehen aufweisen. Da ich keine Erfahrung mit dem Hohlmeißel hatte, war das eine große Herausforderung für mich. Es hat mir aber Spaß gemacht, dieses Möbelstück zu gestalten, und Texturen prägen seither viele meiner Projekte, fast wie eine zweite Haut.

Wie integrierst Du ökologische Überlegungen in Deinen künstlerischen Ansatz und wie beeinflussen Sie die Wahl Deiner Materialien?

Soweit möglich, werte ich für kleine Objekte stets Holzreste aus meiner Werkstatt auf. Das ist für mich ein äußerst wertvoller Ansatz. Außerdem ist mein Holzlieferant gleichzeitig auch mein Verbündeter und überlässt mir manchmal exotische Hölzer, die eigentlich zum Wegwerfen bestimmt sind, die ich aber gerne in meine Werkstatt mitnehme. So kann ich seltenere Holzarten mit geringeren ökologischen Auswirkungen erforschen und dem Material ein neues Leben schenken.

Die Holzabfälle sind manchmal tolle Sprungbretter für neue Ideen und regen die Kreativität an - das gefällt mir und bringt außerdem viel Spaß.

Was sind Deine wichtigsten Inspirationsquellen?

Alles, was in irgendeiner Weise die Vorstellungskraft, eine Form von Schönheit, Traumhaftigkeit und Poesie anregt, also eigentlich eine ganze Menge! In wenigen Worten würde ich sagen: Die „primitive“ Kunst Afrikas und Ozeaniens ist faszinierend, was ihre Vielfalt an Linien, Symbolik und Formen anbelangt. Die Gegenstände haben eine starke, ganz besondere „Aufladung“. Die Gemälde von Georgia O' Keeffe, der Surrealismus, die Kurven und Farben der Keramikobjekte von Erna Aaltonen, die Philosophie der Maler der Nabi-Bewegung. Und etwas aktueller, die barocken und traumhaften Produktionen des Designers Benjamin Foucaud.

Könntest Du uns ein wenig mehr über die Zusammenarbeit zwischen Atelier Sao und Sessùn erzählen und was es für Dich bedeutet, recycelte Materialien in Kunstobjekte zu verwandeln?

Für Sessùn habe ich Besteck aus Eichenholz und Löffelsets aus recyceltem Holz angefertigt. Sie sind ausschließlich aus Holzabfällen hergestellt und erhalten ihre Form ganz spontan, angeregt durch meinen Instinkt und die durch das Material auferlegten Beschränkungen. Ich habe mit der Herstellung begonnen, als ich mein erstes Atelier in einer Industriebrache eingerichtet habe, wo ich nur über wenig Material verfügte. Im Grunde standen mir nur ein paar Holzreste und eine kleine Laubsäge zur Verfügung. Die Zusammenarbeit mit Sessùn lässt mir eine gewisse Freiheit und gefällt mir sehr gut.

Um das 10-jährige Jubiläum der Sessùn-Handtasche DIVINE zu feiern, haben wir ein Duzend Handwerker*innen, darunter auch Dich, eingeladen, das symbolträchtige Accessoire neu zu erfinden. Könntest Du uns etwas über Deine Teilnahme an diesem Projekt erzählen und uns verraten, wie Du die Divine-Handtasche neu gestaltet hast?

Die Divine neu zu interpretieren war ein sehr interessantes Projekt. Für mich ist diese Handtasche feminin, elegant, modern und hat mit ihren verschiedenen Einsätzen, Details und Texturen etwas Verspieltes. Ich wollte, dass sich diese vielfältige und leicht „poppige“ Ausprägung in meinem Objekt aus Holz wiederfindet und gleichzeitig meinem Ansatz treu bleiben, verschiedene Holzarten miteinander zu kombinieren. So habe ich eine „Patchwork“-Tasche entworfen, in der Wenge, Eiche und Birnbaum ein Wechselspiel eingehen. Kleine runde Intarsien aus Padouk, Bergahorn und Messing sorgen für den gewissen „Schick“. 
Der Henkel der Tasche war eine kleine Herausforderung. Ich hatte ihn mir zunächst eher robust aus strukturiertem Kiefernholz vorgestellt, entschied mich dann aber für einen weichen Schulterriemen, den ich aus Lindenholzgliedern angefertigt habe. 

Was ist zurzeit Dein Kunst-Highlight?

Es ist musikalischer Art. Ein Jazztrio, das ich diesen Sommer bei einem Konzert entdeckt habe, „Le cri du Caire“: die Stimme eines jungen ägyptischen Sufi-Sängers vermischt mit den Klängen der Saiten des Cellos und den klagenden Tönen des Saxofons. Eine hypnotische, fast mystische Erfahrung!

Welche zukünftigen Projekte und Ambitionen hast Du für Atelier Sao?

Die künstlerischen Kooperationen fortsetzen, die mir so gut gefallen, neue Techniken erforschen und erlernen und im Laufe des Jahres 2025 eine Kleinmöbelserie entwerfen und auf den Markt bringen.

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