Begegnungen

Macheia

Montag 23 September 2024

FOTO-RECHTE: Inês Silva Sá

Die beiden Designerinnen und Gründerinnen von MACHEIA Iany Gayo und Lucrezia Papillo kombinieren ihr architektonisches Fachwissen mit ihren Kenntnissen in nachhaltigem Design, um einzigartige Stücke zu schaffen, die sich an der Schnittstelle zwischen Handwerk und zeitgenössischem Design befinden. In ihrem 2020 eröffneten Designstudio bedienen sie sich althergebrachter Handwerkstechniken, wie dem Flechten von Binsen, und setzen dabei auf die Verwendung innovativer Biomaterialien. Ihr Engagement führte sie zur Teilnahme an dem von Sessùn ausgerufenen Projekt DIVINE, für das sie die gleichnamige ikonische Handtasche der Marke mit einem Biomaterial auf Algenbasis neu erfanden. Treffen mit einem kreativen Duo, das sich für die Aufwertung des Handwerks einsetzt.

Könntet Ihr Euch kurz vorstellen und uns ein wenig über Eure Werdegänge erzählen?

Wir haben unser Designstudio im Jahr 2020 gegründet und arbeiten dort zu zweit. Lucrezia hat eine Ausbildung in Nachhaltigem Design und Iany hat Architektur studiert, aber wir haben beide schnell gemerkt, dass diese Berufsbilder nicht zu der Art und Weise passten, wie und in welche Richtung wir uns entwickeln wollten. Heute bewegen wir uns in einer Art Grauzone zwischen Design und Handwerk mit einem ausgeprägten Sinn für Kunst. Wir sind der Meinung, dass die damit verbundenen Tätigkeiten eine ähnliche Basis haben und viele Qualitäten teilen, sich aber auch unterscheiden, beispielsweise in Fragen des Wissenstransfers, zur Gemeinschaft und zur Selbstwahrnehmung. Ein großer Teil unserer Energie fließt in die Entwicklung von Innovationen, die auf der Erforschung alter Praktiken beruhen.

Wie habt Ihr Euch kennengelernt und was hat Euch dazu bewogen zusammenzuarbeiten?

Wir sagen gerne, dass wir uns über eine Pflanze kennengelernt haben. Das trifft auf unser beider Kennenlernen zu, aber auch auf den ersten Handwerker, mit dem wir zusammengearbeitet haben. 2020 machten wir beide unseren Master und beschäftigten uns mit Kunsthandwerk. Zu diesem Zeitpunkt trafen wir auch auf Manuel Ferreira, dessen Arbeitsmaterial Binsen und seine besondere Verarbeitungstechnik uns tief beeindruckten. Wir haben ihn von da ab regelmäßige in Santarém, wo er lebt und arbeitet, besucht. Je großzügiger er sein Wissen mit uns teilte, desto mehr wuchsen unsere Faszination und unser Interesse. Darüber hinaus verspürten wir das Bedürfnis, diese vom Aussterben bedrohte Technik und alles, was damit zusammenhängt, zu bewahren.

Könntet Ihr uns erklären, wie das Projekt MACHEIA entstanden ist und was Ihr in diesem Rahmen auszuarbeiten versucht?

Das Projekt entstand aus dem Bedürfnis heraus, mit etwas zu arbeiten, das rückverfolgbar, wertvoll und ehrlich ist. In einer schnelllebigen Zeit wie der unseren, fällt es uns oft schwer uns auf das Wesentliche zu besinnen. Handwerken ist hierfür das perfekte Gegenmittel, es lehrt uns, zu entschleunigen, zu beobachten, zuzuhören und Dinge zu hinterfragen. Das lernten wir im ersten Monat unserer Arbeit mit Manuel Ferreira. Unsere ständige Motivation ist es, Geschichten über Materialien, Techniken und Handwerk zu erzählen, sie unserer Zeit anzupassen und neu zu interpretieren.

Woher kommt der Name MACHEIA?

MACHEIA bedeutet auf Englisch „handful“ und ist ein portugiesischer Begriff, der von Handwerker*innen verwendet wird, um ein Mengenmaß zu bezeichnen, das der Hand einer Person entspricht. Es bringt die Vorstellung auf den Punkt, dass ein handgefertigtes Stück der Spiegel seines Schöpfers ist, und da es keine zwei identischen Handpaare gibt, kann es auch keine zwei identischen, von Hand angefertigten Stücke geben.

Wie würdet Ihr die Beziehung zwischen Forschung und Produktion in Eurer Arbeit beschreiben?

Wir bezeichnen unsere Praxis gerne als „materialbasierte Forschung“. Natürlich gibt es immer eine Einarbeitung von Techniken, aber sie beruhen letztlich nur auf dem Verständnis und der Interpretation eines Materials, das einem bestimmten Zweck dient. In diesem Sinne begeben wir uns in die materialbasierte Forschung, wie wir es mit Binsen getan haben und nun mit Leder beginnen, um die Möglichkeiten der Materialien und die damit verbundenen Geschichten, die es zu erzählen gilt, zu erforschen und zu erlernen. Die Produktion ist die Materialisierung dieser Forschung, die über verschiedene Kanäle erfolgt und je nach den thematischen Anforderungen von uns selbst oder von Handwerker*innen, mit denen wir zusammenarbeiten, durchgeführt wird.

Durch Eure Arbeit bei MACHEIA rückt Ihr Naturfasern und althergebrachte Handwerkstechniken in den Vordergrund. Wie beeinflussen diese Elemente Eure Kreationen?

Althergebrachte Techniken sind ein unermesslicher Fundus an genialen Fertigkeiten und überliefertem Wissen, die die Art und Weise beeinflussen, wie wir zeitgenössisches Design darstellen und weiterentwickeln wollen - sei es in Form einer Installation oder eines Objekts mit einer bestimmten Funktion. Naturfasern haben die Kraft, uns zu ihrem Ursprung zurückzuführen, wortwörtlich gesagt zu dem Boden, auf dem sie wachsen und geerntet werden. Unsere Kreationen sind somit in gewisser Weise die Momentaufnahme einer Geschichte, eines materiellen Merkmals oder eines anderen Aspekts der Forschung, auf die uns diese Themen führen.

Um das 10-jährige Jubiläum der Sessùn-Handtasche DIVINE zu feiern, haben wir fünfzehn Handwerker*innen, darunter auch Euch, eingeladen, diese symbolträchtige Tasche neu zu erfinden. Würdet Ihr uns mehr über Eure Teilnahme an diesem Projekt erzählen und uns verraten, wie Ihr die Divine umgestaltet habt?

Dank der Neuinterpretation der Divine haben wir viele „Premieren“ erlebt. Es war definitiv das allererste Mal, dass wir eine Tasche entworfen haben, was an sich schon eine Herausforderung darstellte und durchaus auch aufregend für uns war. Außerdem haben wir das Material - ein Biomaterial auf Algenbasis - exklusiv für die Sessùn-Tasche entwickelt. Auf Einladung von Biolab Lisboa haben wir uns einem Projekt namens Atlantic Futures angeschlossen, in dessen Rahmen wir seit einigen Monaten Biomaterialien erforschen und die Handtasche ging als erstes Ergebnis aus diesem Forschungsprojekt hervor. 

Für uns war es selbstverständlich, die Tasche aus dem Material herzustellen, welches unser Interesse erregte und unser Engagement am besten verkörperte. Insbesondere im Zusammenhang mit einer Feier, die nicht nur die Geschichte einer Handtasche nachzeichnet, sondern auch ihre Kontinuität und Existenz in die Zukunft projiziert, da wir glauben, dass Biomaterialien ein wesentlicher Teil des Designs der Zukunft sind.

Was nehmt Ihr aus dieser Zusammenarbeit mit Sessùn mit?

Dass, wenn die kreative Freiheit souverän ist, ein und dasselbe Konzept eine große Vielfalt an Ausdrucksformen haben kann.

Was verbindet Ihr mit Sessùn?

Sessùn steht für die Feier der Schönheit. Als Designerinnen neigen wir oft dazu, uns von Funktionalität und Nützlichkeit mitreißen zu lassen, aber wir glauben, dass Schönheit eine wesentliche Eigenschaft ist, die wir stets anstreben sollten. Wir glauben, dass für Sessùn die Schönheit in der Einfachheit und der Authentizität der Materialien liegt, und das gilt auch für uns.

Entdecken Sie die Looks von Iany und Lucrezia.

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