Begegnungen

Héloïse Busquet

Sonntag 1 September 2024

FOTOKREDIT: JOHN REEG

Aus ihrer Kindheit, die sie zwischen dem Bassin d'Arcachon und dem Lot-et-Garonne verbrachte, hat Héloïse Busquet einzigartige Geschmäcker und fröhliche Düfte mitgenommen, die den Ausgangspunkt für ihre Leidenschaft fürs Kochen bildeten. Um sich ihre Freiheit und Authentizität zu bewahren, arbeitet sie als Wanderköchin, wenn sie sich nicht gerade kreativen kulinarischen Projekten widmet, das Picknick neu erfindet oder Chefköche einlädt, bei ihr zu kochen. Sie folgt regelmäßig Einladungen zu Residenzen in ganz Frankreich. Diese vielfältigen Erfahrungen machen sie zu einer mutigen, ehrlichen und sensiblen Köchin.

In ihrer zweiten Residenz bei Sessùn Alma, die bis zum 9. November 2024 dauert, bietet sie eine delikate Mittagsküche, die um saisonale Produkte herum geführt wird.

Héloïse bereitet die Eröffnung ihres Table d'hôte „Feu Follet“ in Cap Ferret vor, das private Abendessen anbieten und auch andere Köche zum Kochen einladen wird.

Inwiefern beeinflusst die Region Südwestfrankreich Deine kulinarische Identität? 

Meine frühesten kulinarischen Erinnerungen sind eine Mischung aus der Küche meiner aus dem Lot-et-Garonne stammenden Großmutter und dem jodhaltigen Geschmack des Bassin d'Arcachon, wo ich aufgewachsen bin. Ich verbrachte jeden Sommer bei meiner Großmutter in Agen. Ich erinnere mich noch gut an die Gerichte, die sie jedes Mal für uns kochte, besonders an die mit Wurstbrät gefüllten Steinpilze mit Knoblauch und Petersilie und die Auberginen mit Lammfleisch... Das Lot-et-Garonne ist eine sehr sonnige Region, in der dem Sommergemüse große Bedeutung beigemessen wird: Die Marmande-Tomaten sind der absolute Wahnsinn! Ich erinnere mich auch, wie wir zusammen Marmelade aus Obst einkochten, das so süß war, dass es fast keiner Zugabe von Zucker mehr bedurfte. Sehr geprägt haben mich außerdem die jodhaltigen Gerichte am Cap-Ferret, wo man schon ab 11 Uhr morgens auf dem Markt oder auf einem Boot Austern isst! Ich erinnere mich gerne an das Sammeln von Venus- und Schwertmuscheln auf den Sandbänken... All diese Erinnerungen bilden den Ausgangspunkt für mein kulinarisches Abenteuer, das im Laufe der Zeit noch durch Reisen, insbesondere durch den Mittelmeerraum, bereichert wurde.

Das Kochen war Folge einer Umschulung. Was war der Grund für diesen Wechsel? 

Das Kochen war schon immer ein wichtiger Bestandteil meines Lebens und nahm im Laufe der Zeit einen immer bedeutenderen Platz ein, bis mir klar wurde, dass ich mich voll und ganz darauf konzentrieren musste. All das ging dann wie von selbst. Ich beschloss zunächst, eine Ausbildung zu machen, die mir die Voraussetzungen zur Ausübung dieses Berufs vermitteln würde, und nutzte dann die Möglichkeiten, die sich mir boten. So begann ich mit der Organisation von festlichen Diners für Privatleute am Cap-Ferret. Diese erste Erfahrung lehrte mir, dass Anpassungsfähigkeit sehr wichtig ist und man in der Lage sein muss, sich angesichts unvorhergesehener Ereignisse immer etwas Neues einfallen zu lassen. Außerdem habe ich in dieser Region, in der häufig Dreharbeiten stattfinden, viel im Catering gearbeitet. In Restaurantküchen kam ich durch die Idee, als Wanderköchin zu arbeiten, um meine Freiheit und Authentizität zu bewahren. Dieser Werdegang ermöglichte mir das Arbeiten an verschiedenen Residenzorten, wie etwa Sessùn Alma, und ich genieße jeden Moment des Entdeckens einer neuen Küche und talentierter Produzenten. 

Erzähl uns doch etwas mehr über Deine Arbeit als Wanderköchin. Wie schätzt Du dieses Phänomen ein?

Das ortsungebundene Arbeiten ist eine Art zu arbeiten, die sich in den letzten Jahren sehr stark entwickelt hat. Für mich war es eine großartige Gelegenheit! Diese Art für die Arbeit herumzureisen, ermöglicht ehrliche Begegnungen mit Produzenten, eine Auseinandersetzung mit der Position und der Rolle von Chefköch*innen in den Gastronomiebetrieben und einen freien Willen, der zwangsläufig auch in den Gerichten zum Ausdruck kommt. Außerdem wird dadurch etwas frischer Wind eingebracht und man gewinnt mehr Abstand zu seiner eigenen Arbeit. Oder um es anders auszudrücken: das ortsgebundene Arbeiten verleiht sowohl den Chefköch*innen als auch den Restaurants eine neue Dynamik, die ständig in Bewegung ist und sich immer weiterentwickelt. Diese Vorstellung gefällt mir. Die Art und Weise, wie wir konsumieren und uns ernähren, hat sich stark verändert und die Entstehung dieses neuen Konzepts des Kochens geht mit einer Rückkehr zum Handwerk und zum Rohprodukt einher. 

Welcher Stellenwert kommt der Natur in Deinen Kreationen und kulinarischen Experimenten zu?

Manchmal fühle ich mich in der Natur viel wohler als in der Stadt, auch wenn ich zwischendurch immer wieder mal Großstadtluft schnuppern muss. Besonders liebe ich das Zubereiten von Mahlzeiten im Freien, am Meer oder in den Bergen. Das biete ich im Südwesten Frankreichs, am Cap Ferret oder im Baskenland an. Obwohl ich keine Vegetarierin bin, zeichnen sich alle meine Gerichte durch eine stark blumige und pflanzliche Komponente aus. Ich liebe es, diese Produkte hervorzuheben, indem ich ihren rohen Aspekt herausarbeite und den Geschmack jedes einzelnen Elements, aus dem ein Gericht besteht, betone.

Du startest ein Table d'hôte-Projekt, das sich um Kochresidenzen und Kooperationen mit Chefköch*innen dreht.  Kannst Du uns mehr darüber erzählen?

Durch dieses Projekt kann ich meinen Wunsch verfolgen, Menschen zusammenzubringen und rund um eine kleine, feine Karte gesellige Momente zu schaffen. Es bietet mir auch die Möglichkeit, meine Arbeit als Wanderköchin fortzusetzen und gleichzeitig mit meinen Wurzeln verbunden zu bleiben. Es befindet sich in Cap-Ferret, in La Vigne, auf halber Strecke zwischen dem Bassin und dem Meer...

Ich möchte, dass sich die Menschen bei mir wie zu Hause fühlen, einen schönen Moment in der Familie oder mit Freunden verbringen und sich in einer persönlicheren Umgebung als der eines klassischen Restaurant treffen können... Die Veranstaltungen dieses Ortes werden von den Jahreszeiten und den eingeladenen Chefköch*innen bestimmt und bieten den Gästen ganz unterschiedliche Erfahrungen.  

Es ist mir sehr wichtig, den Beitrag der Wanderköch*innen hervorzuheben, die ihre kulinarischen Vorschläge für dieses private Menü einbringen sollen. Mir gefällt die Vorstellung, diese Region um weitere kulinarische Ausprägungen zu erweitern.

Welche Art von Küche möchtest Du im Rahmen Deines Gastaufenthalts bei Sessùn Alma in Marseille in den Vordergrund stellen?

Ich würde gerne verstärkt auf frische Gerichte setzen, bei denen das Produkt selbst im Mittelpunkt steht. Es werden Gerichte sein, die sich aus meiner Begegnung mit den lokalen Produzenten und meinem kulinarischen Know-how ergeben und sich durch Frische, Blumiges und Pflanzliches auszeichnen. Ich werde von September bis November bei Sessùn Alma kochen, so dass man von Tomaten bis hin zum Kürbis alles finden wird. Mit zwei Worten  ausgedrückt: Einfachheit und Hervorhebung. 


Welches Gericht sollte man während Deines Gastaufenthalts unbedingt probieren?

Ich liebe es, intuitiv zu arbeiten und mich von den Produkten leiten zu lassen, die in die Küche kommen. Die Produzenten, die mit Sessùn zusammenarbeiten, informieren mich zweimal pro Woche über alles, was neu eintrifft und dementsprechend stelle ich meine Gerichte zusammen. Die Karte wird sich also ständig ändern!
So biete ich für den Spätsommer gerne lebhafte und sonnige Gerichte an, wie etwa eine Kombination aus Zucchini-Tagliatelle, Ziegenkäse-Brousse, Bottarga und frischen Kräutern oder ein Fisch-Crudo an Jus oder Granité von Limette und Wassermelone. Ich würde den Sessùn-Gästen auch gerne einen in Weinblättern gekochten Reis kredenzen. Und ich freue mich schon auf die Verarbeitung von Pilzen, die im Laufe des Septembers eintreffen werden. Dann könnten sich Gerichte auf der Karte finden, die beispielsweise Shiitake, Portulak, Dinkel und Birnenpickles kombinieren. Was die Desserts anbelangt, werde ich vor allem auf Früchte setzen. Ich werde sicher oft zarte Tartes oder leichte Desserts anbieten, die frischen Quark, etwas Knusprigkeit und Ofenfrüchte kombinieren.

Was verbindest Du mit Sessùn?

Sessùn ist für mich ein Ausdruck von Authentizität. Jede Wahl scheint mit dem Herzen getroffen zu werden, ich glaube, es ist ein Versprechen an die Zeitlosigkeit. Die angebotenen Kleidungsstücke und Accessoires zeichnen sich durch eine Einzigartigkeit aus, die mir gefällt. Mir gefällt auch, dass sich Sessùn für Handwerker und Designer einsetzt. Es ist wichtig, die Person zu entdecken, die hinter dem Stück steht, es erdacht und entworfen hat. Kennt man die Geschichte hinter einer Kreation, kann man sie mit sich tragen und sie bewahren. Es ist notwendig, dass es Initiativen wie diese gibt, da die Welt scheinbar unaufhaltsam auf eine vergängliche Sicht der uns umgebenden Dinge zusteuert.  

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