Begegnungen

Elodie Guichaoua

Montag 24 Februar 2025

CRÉDIT PHOTOS : Stéphanie Davilma, Florian Touzet

Elodie Guichaoua hat mit ihrer Hängeleuchte Filacea, die Pflanzenfasern und mediterrane Handwerkskunst vereint, die zweite Ausgabe des Sessùn Craft Prize gewonnen. Die Designerin und Innenarchitektin hat sich vom Meer und lebendigen Materialien zu ihrem Werk inspirieren lassen, das Tradition und Moderne miteinander verbindet. Ein Blick auf ihren Werdegang und ihre Vision von Design

Erzähl uns von Deinem Werdegang: Was hat Dich zum Design und zur Innenarchitektur geführt?

Das alles hat seine Wurzeln in meiner Kindheit in der Bretagne, wo ich auf dem Land und in der Nähe des Meeres aufgewachsen bin. Dank meiner Mutter, einer passionierten Hobbygärtnerin und meinem Vater, einem leidenschaftlichen Fischer, begann ich mich schon früh für die Natur zu interessieren. Ich verbrachte Stunden damit, Herbarien anzulegen oder Baumhäuser zu bauen, vor allem jedoch das Leben in seiner ganzen Vielseitigkeit zu beobachten. Meine erste Ausbildung zur Polsterin an der Berufsoberschule in Auray im Morbihan war ein wichtiger Schritt in meiner Entwicklung. Ich habe während dieser Ausbildung eine Vorliebe für Details und Textilien entwickelt sowie wertvolle Techniken erlernt, auf die ich heute noch im Rahmen meiner experimentellen Projekte zurückgreife. Mein Wunsch, mich kreativ zu betätigen, führte mich dann schnell und ganz von selbst in Richtung Innenarchitektur und Design. Ich habe deshalb an der EFET in Paris ein Doppeldiplom absolviert, wodurch ich einen globaleren und konzeptionelleren Gestaltungsansatz entwickeln konnte. Heute arbeite ich in der Bretagne und bin für verschiedene Projekte zuständig, deren Auftraggeber von Hotels über Restaurants bis hin zu Privatpersonen reichen. Parallel dazu betreibe ich mein eigenes Atelier, einen Experimentierraum, in dem ich, im Einklang mit meinen kreativen Prozessen, Möbel entwerfe, Material bearbeite und neue Handwerkstechniken, wie Färben und Weben, ausprobiere.

Wie würdest Du Deinen Stil als Designerin beschreiben?

Mein Stil zeichnet sich vor allem durch Texturen aus. Oft bilden das Material und die Techniken den Ausgangspunkt für meine Projekte. Ein Stück Leder, ein Schussfaden aus Kupferdraht, selbst ein einfaches Stück Holz, das ich im Wald gefunden habe, können die Basis für eine Objektskizze darstellen. Ich gehe davon aus, dass wir uns über das Material mit den Gegenständen verbinden, da es unsere Sinne herausfordert. Wir haben das Bedürfnis, sie zu berühren, mit den Fingern darüber zu fahren, sie in die Hand zu nehmen. Die Haptik ist für meinen künstlerischen Ansatz damit von entscheidender Bedeutung. Mir gefällt die Vorstellung, dass alle von mir geschaffenen Objekte durch das Material, das ihnen Leben einhaucht, eine eigene Geschichte erzählen. Die Geschichten, die aus den bearbeiteten Materialien und den angewandten Handwerkstechniken entstehen, tragen dazu bei, neue Kombinationen zu schaffen und unendliche viele Betätigungsfelder zu eröffnen. Und genau das versuche ich durch meine Arbeit zu entdecken.

Welche Kreation repräsentiert Deine Arbeit am besten?

Das für den Sessùn Craft Prize umgesetzte Projekt ist eine echte Synthese meiner Leidenschaften und meines Werdegangs. Es vereint die Geschichte des handwerklichen Könnens, meine tiefe Verbindung zum Meer und zur Fischerei, die meine Kindheit prägte, und die Verwurzelung mit der Pflanzenwelt in einem spezifischen geographischen Umfeld. Das Aufeinandertreffen all dieser Elemente nährt und begründet meine Arbeit. 

Die Anfertigung eines so großen Objekts wie der Filacea-Leuchte war eine spannende Herausforderung für mich und unterschied sich deutlich von meinen üblichen, wesentlich kleiner gehaltenen Arbeiten in meinem Atelier.

Was sind Deine wichtigsten künstlerischen, kulturellen oder persönlichen Inspirationsquellen?

Meine wichtigste Inspirationsquelle ist natürlich die Natur, genau wie althergebrachte Handwerkstechniken. Außerdem betrachte ich unsere Umwelt gern aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel, um sie auf diese Weise besser zu verstehen und zu begreifen. Ich bewundere beispielsweise die Arbeit von Gilles Clément, dessen Werke ich gern lese, sowie die poetischen Forschungen der Naturwissenschaftlerin Lore Kutschera über Wurzelsysteme. Außerdem lasse ich mich gern von Arbeiten inspirieren, die von Persönlichkeiten stammen, die mit der Materie auf verschiedenen Ebenen experimentieren, wie beispielsweise die Architektin Bijoy Jain, der Designer Vincenzo De Cotiis, der Komponist Iannis Xenakis, die Künstlerin Lenore Tawney oder die Schmuckkreationen von Jacqueline de Jong.

Materialien spielen eine wesentliche Rolle in Deinen Kreationen. Welche bevorzugst Du und wie wählst Du sie aus?

Ich mag lebendige Materialien! Ganz gleich ob sie im Rohzustand belassen oder veredelt werden, das Wichtigste sind die Geschichten, die sie uns erzählen können. Von allen Materialien mag ich Textilien besonders gern. Ihre Struktur, ihre Haptik und die Wirkung, die sie einem Raum verleihen können, faszinieren mich. Sie lassen sich auf ganz verschiedene Weise und in unterschiedlichen Dimensionen bearbeiten und kommen im architektonischem Bereich genauso zum Einsatz wie in einem einfachen Drahtseil - und genau das begeistert mich.

Du hast mit Deiner Hängeleuchte Filacea die zweite Ausgabe des Sessùn Craft Prize gewonnen. Könntest Du uns etwas mehr über dieses Projekt erzählen?

Die Leuchte ist ein Masterpiece, das im großen Konferenzraum von Sessùn aufgehängt wurde und fast 6 Meter lang ist. Sie besteht aus Reusen, Fischerkörben, die aus lokalen Pflanzenfasern hergestellt werden. Diese hängen an einem Metallrohr und sind wie Perlen aufgereiht. Jede Reuse wurde in Handarbeit von zwei Fischern hergestellt: Frédéric Sitzia und Michel Serreri.

Könntest Du uns den kreativen Prozess beschreiben, der hinter der Filacea-Leuchte steht - von der ersten Idee bis hin zur Fertigstellung?

Wie bereits erwähnt, kam dem Meer bei diesem Projekt eine zentrale Rolle zu. Es erschien mir von Anfang an selbstverständlich, die Arbeit der Mittelmeerfischer zu thematisieren und vor allem gefiel mir die Idee, eine alte Handwerkskunst, die allmählich verschwindet, herauszustellen. Es war nicht einfach, Fischer zu finden, die dieses Handwerk heute noch ausüben, aber ich bin fündig geworden und habe schließlich mit zwei korsischen Fischern zusammengearbeitet, die die einzelnen Stücke für meine Leuchte angefertigt haben.

Die Herstellung von Reusen ist eine alte Volkskunst. Ihre Formen sind an die Fischerei angepasst und haben sich im Laufe der Zeit nur wenig verändert: rund für den Fischfang, konisch für den Langustenfang. Reusen sind in erster Linie Gebrauchsgegenstände, und es war mir wichtig, ihre ursprüngliche Form beizubehalten. Der Prozess bestand darin, die einzelnen Reusen zu einer Skulptur zusammenzusetzen und daraus ein harmonisches Ganzes zu komponieren. Sollte die Leuchte irgendwann abgehängt werden, können die Reusen zum Fischen verwendet werden.

Wie ist es Dir gelungen, die traditionellen Techniken der mediterranen Flechter in Deine Arbeit zu integrieren?

Um die traditionellen Techniken der mediterranen Flechter unverfälscht in meine Arbeit zu integrieren, beschloss ich, ihnen die Verantwortung für die Form der Reusen vollständig zu überlassen und sie nur ihrem Know-how und ihrer authentischen Technik folgen zu lassen. Jede einzelne Masche, ob enger oder lockerer, ist ein Echo ihrer Erfahrung und Persönlichkeit. Sie sammeln die für ihre Kreationen benötigten Fasern in ihrer Umgebung, wodurch jedes Stück eine lokale und ganz einzigartige Dimension erhält. Für dieses Projekt haben sie vier verschiedene Fasern verwendet: Olivenbaum, Binse, Myrte und Schilfrohr aus der Provence. Das Zusammenspiel aus diesen Fasern und der Herstellungstechnik der beiden Fischer verleiht dem Projekt einen unglaublichen Reichtum sowie eine ganz besondere Hybridität.

Inwiefern beeinflusst die Hängeleuchte Filacea Deiner Meinung nach das Ambiente des Raums, indem sie installiert wurde?

Überraschenderweise verleihen die unterschiedlich großen Maschen der Reusenstruktur eine gewisse Leichtigkeit. Die Leuchte ist an Kabeln aufgehängt und vermittelt den Eindruck, im Raum zu schweben, wie Reusen, die im Wasser treiben. Die Leuchtkörper, die in dem durch die Leuchte verlaufenden Metallrohr verborgen sind, verbreiten ein weiches, warmes Licht, das die Reusen noch sublimiert. Auf diese Weise verleiht die Leuchte dem Raum eine fast mystische Dimension und schafft eine ganz besondere Atmosphäre.

Wie siehst Du die Marke Sessùn als Label und was hältst Du von der Initiative des Sessùn Craft Prize?

Der Sessùn Craft Prize bietet kreativ tätigen Menschen eine äußerst wertvolle Gelegenheit, sich durch sinnstiftende Projekte auszudrücken. Ich betrachte diese Initiative als einen großen Glücksfall. Außerdem waren das gesamte Team von Sessùn sowie Nathalie Dewez, die mich während des Projekts begleitet haben, eine wertvolle Stütze für mich. Sessùn zeichnet sich durch inspirierende Frauen, eine echte Liebe zum Reisen, einen tiefen Respekt für das Handwerk und natürlich die Wärme der Mittelmeersonne aus.

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