Begegnungen

asterisque

Mittwoch 12 April 2023

BILDNACHWEIS : Alicia Peirò

Fragt man Estefanía, wie Sie zum Töpfern kam, nennt sie gleichzeitig ihre Kindheit am Mittelmeer, die Sammlung von Fayencen, die sie von ihrer Großmutter mütterlicherseits geerbt hat, das Schreiben - ihre zweite Leidenschaft - und Cabo de Gata, eine Region im Süden Spaniens, in der sie sich vor kurzem niedergelassen hat und wo sie die Ruhe fand, die sie suchte. Durch ihre sensiblen Kreationen, vereint unter dem poetischen Namen asterisque, erkundet Estefanía Form und Material mit dem immer gleichen Ansinnen: die Schönheit in der Unvollkommenheit zu finden. Begegnung mit einer vielseitigen und inspirierten Künstlerin.

Was treibt Dich an?

Ich bin in einer Küstenstadt im Südosten Spaniens aufgewachsen und habe jeden Sommer am Mar Menor verbracht, einer von vielen kleinen Inseln umgebenen Salzwasserlagune im Mittelmeer, von wo aus wir, wann immer es möglich war, zu den Balearen segelten. Mein Leben am Meer hat meinen Charakter geprägt. Ich liebe es, am Wasser zu leben, zu schreiben, zu reisen... Die Keramik hat mir einen Lebensstil und eine Ausdrucksform eröffnet, die mir Spontaneität und Freiheit erlauben, die in einer zunehmend von Normen geprägten Welt nur schwer umsetzbar sind. Vor zwei Jahren bin ich mit meinem Mann nach Cabo de Gata in Almeria gezogen - ein Ort, der mich jeden Tag in meine Kindheit zurückversetzt und an dem wir hoffentlich für immer bleiben werden.

Wie kamst Du auf den Namen für Dein Kreativprojekt?

Wie das Sternchen *... - das auf Rand- oder Fußnoten verweist und das auch impliziert, dass eine Form, ein Wort oder ein Satz hypothetisch, unmöglich, falsch oder nicht existent ist - finde ich authentische Schönheit in Formen, Wörtern, Personen oder Bildern, die nicht der Regel entsprechen.

Ich schreibe seit meiner Kindheit; es ist für mich eine Möglichkeit, zu versuchen, mich selbst und die Welt zu verstehen, aber vor allem verschafft es mir ein Gefühl von Freiheit, das ich auch verspüre, sobald ich Ton in meinen Händen halte. Beides sind Räume, in denen Unkorrektes schön sein kann, in denen man nach dem sucht, was jenseits des Sichtbaren liegt, und in denen man sich auf die Langsamkeit einlassen und den natürlichen Lauf der Dinge respektieren muss... Wie das Sternchen, die Fußnote, die einen innehalten und woanders hinschauen lässt, sorgt die Keramik ständig für Überraschungen.  asterisque steht also für meine beiden großen Leidenschaften.

Ich schreibe asterisque klein und ohne Akzent, als Hommage an die Unvollkommenheit, und auf Französisch, weil es eine Sprache ist, die ich schon immer geliebt habe und die ich mehrere Jahre einfach aus Freude zur Sprache gelernt habe.

Wie kamst Du zur Keramik? 

Obwohl ich auf einer naturwissenschaftlich ausgerichteten Schule war, habe ich einen Abschluss in Jura gemacht und mich einige Jahre später auf Unternehmensführung und Kulturarbeit spezialisiert.  Irgendwann erreichte ich dann einen Punkt, an dem ich das Bedürfnis verspürte, innezuhalten und zu mir selbst zurückzufinden. So meldete ich mich für einen, in meiner Stadt angebotenen Keramikkurs an. Ich entschied mich damals für Keramik, weil meine Mutter die von meiner Großmutter geerbten Fayencen zu Hause hatte und ich auf Reisen gerne nach einheimischen Töpferwaren Ausschau hielt und immer ein Objekt als Andenken oder als Geschenk für meine Mutter mitgebracht habe. Meine Großmutter mütterlicherseits war eine wunderbare Schneiderin und besaß das unglaubliche Talent, aus nur zwei Stoffresten wunderschöne Kleider zu nähen, Kleidung zu häkeln und Stickereien anzufertigen.

Schon wenige Wochen nach Beginn meines Keramikkurses war ich gefesselt und entdeckte, dass die Arbeit mit Ton, die Zeit zum Stillstehen bringt und mich zu den schönen Orten meiner Kindheit zurückgeleitet, zu der Ruhe beim Puzzeln, zu den Händen meiner Großmutter und sogar zu meiner Vorliebe für Chemie, die ich heute mit der Herstellung von Glasuren weiterentwickeln kann.

Wie hast Du gelernt, Ton zu bearbeiten?

Ich denke, in gewisser Weise ist es eher der Ton, der mich beeinflusst und mich formt. Der tägliche Umgang mit Ton formt die Hand und gibt einen Weg vor, dem man folgen muss, und genau dadurch zeichnet sich mein Lernprozess aus. Ich habe nicht die Angewohnheit, für meine Objekte Entwürfe anzufertigen, meine Arbeit ist ziemlich intuitiv, ich arbeite weder mit der Drehscheibe noch mit Formen und benutze kaum Werkzeuge - ich liebe es, den Ton einfach in die Hand zu nehmen und mich von ihm leiten zu lassen. Wie beim Schreiben versuche ich auch beim Töpfern, meinen Geist frei zu halten, um dem Ton und dem, was ich aus meiner Umgebung aufgenommen habe, freien Lauf zu lassen. Ganz ähnlich mache ich es beim Ausgestalten von Räumen: Manchmal lasse ich sie eine Zeit lang einfach unfertig, bis ich sie schließlich wie von allein, ohne viel Nachdenken, fertigstelle. Ich gehe die Dinge gerne wie ein Kind an, was manchmal gar nicht so leicht ist, aber die Keramik bietet mir genügend Raum, dies auszuleben. Manchmal gehe ich auch von einem bestimmten Wort oder irgendeinem Gegenstand aus, um mir dazu einen Teller oder eine Vase vorzustellen.

Deine Kreationen sind das Ergebnis der Vorstellung einer organischen Geometrie, was verstehst Du darunter?

Für mich bedeutet das, dass man in meinen Objekten sowohl das Natürliche als auch das Menschliche, die formende Hand, die dahintersteckt, wahrnehmen kann. Die Formen gehen von etwas Geometrischem aus, wollen aber nie symmetrisch verlaufen. Ich mag auch gebrochene und raue Texturen, die ich durch Kurven, Falten, unregelmäßige Ränder, die sich durch das Auseinanderreißen des Tons ergeben, und Asymmetrien oder beim Glasieren hinterlassene Fingerabdrücke.

Welches Objekt verkörpert Dein Universum am besten?

Alle, die ich auf ganz spontane und freie Weise anfertige und bei denen die rohen Texturen, Formen und Farben für sich selbst sprechen, wie dies bei den „yos"-Vasen der Fall ist, die ich fast automatisch eines Nachts im Dunkeln gezeichnet habe, als ich nicht schlafen konnte. Aber auch die großen „dom"-Krüge, die durch einfaches Drücken und Kneten mit den Fingern entstehen, wodurch Spuren zurückbleiben, die an aufgerührte Keramikglasuren erinnern. Oder meine neueste Vasen-Kollektion „mahk", die auf das koreanische Konzept zurückgreift, das ich durch ein Buch des Architekten und ehemaligen Keramikers Byoung Cho entdeckt habe und das genau für diesen Zustand der Unvollkommenheit und Rauheit steht, nur abgestimmter, ein bisschen wie absichtlich ungeplant, damit alles noch natürlicher wirkt. Außerdem die Teller- und Vasenkollektion „kad“, die ich mit Engoben und Keramikstiften verziere, wie immer, ohne vorher lange darüber nachzudenken...

Wie hast Du Dir die beiden Objekte vorgestellt, die Du exklusiv für Sessùn entworfen hast?

Als ich vor etwa einem Jahr das imaginäre Alphabet von Sessùn sah, in dem ich selbst das Sternchen verkörperte, war ich sehr angetan und spürte eine gewisse Gemeinsamkeit. Vor kurzem kam ich dann auf die Idee, zwei der Formen auszuwählen, die mir besonders gefielen, und sie in „Alp"-Vasen umzusetzen, aus gebranntem Steinzeug, dessen Farbe sich den natürlichen Farbtönen von Sessùn Alma annähert und mit einer Textur, die mir entspricht.

Du hast Dich in Südspanien, in der Nähe des Naturparks Cabo de Gata, niedergelassen. Was hat Dich in diese Region geführt?

Dieser Ort mag für viele Menschen unwirtlich erscheinen, insbesondere aufgrund seiner Abgeschiedenheit, seiner extremen, halbwüstenartigen Natur mit fossilen Dünen, Vulkanhängen, und den starken Winden, die tagelang wüten können und es darauf anzulegen scheinen, einen zu vernichten, und doch hat diese Landschaft für mich etwas Hypnotisierendes. Hier werden die Tage von der Langsamkeit und der Kraft der Natur bestimmt, ich entdecke jeden Tag meine mediterrane Kindheit der ewigen Sommer wieder, wenn man auf dem Weg zum Strand über einen in Reih- und Glied marschierende Ameisenkolonie staunt oder über eine Strandlilie oder eine versteinerte Muschel, und wenn man beim Aufwachen den Wellen und dem Gesang der Vögel lauscht. Ich kannte diesen Ort bereits von einigen Besuchen, aber seit ich in der Keramikbranche tätig bin, ist es für mich eine Lebensnotwendigkeit geworden, mich dort fest niederzulassen.

Was sind Deine Inspirationsquellen?

Ich lasse mich von allem inspirieren, was mich berührt, sei es eine Illustration, eine Wüste, ein Gemälde, eine Malerei, Afrika, eine Skulptur, ein Kleid, die Form eines Steins oder ein Wort. In gewisser Weise sind sie Teil meines Unterbewusstseins und kommen in Form einer Vase oder einer Schale zum Vorschein.

Dein jüngstes Kunst-Highlight?

Interessanterweise eine Bildhauerin, Sonja Ferlov Mancoba, die ich durch einen Hinweis in einer Veröffentlichung von Sessùn entdeckte und für deren Arbeit ich eine regelrechte Obsession entwickelt habe. Aus der Suche nach allem, was ich über ihre Arbeit, die ich wirklich sehr liebe, finden konnte, entstand meine Vase „Iov 00".

Was verbindet Dich mit Sessùn?

Ich habe Sessùn auf einer Reise an das französische Mittelmeer vor 13 Jahren in Marseille entdeckt, noch lange bevor ich anfing, in der Keramikbranche zu arbeiten. Ich kaufte mir ein gestreiftes, vorne geknöpftes Oberteil mit einem kleinen Schal um den Hals, das ich noch heute trage. Ich nenne es das Oberteil des Sommers wegen seines feinen, zarten Stoffes und der Farben, die an einen Sonnenuntergang in der Wüste erinnern. Ich liebe die Ästhetik von Sessùn, ihre zeitlosen Designs, ihre Farben und ihre Philosophie, ihre künstlerischen Referenzen, ihre Liebe zur Kunst/zum Handwerk und zu den Künstlern, mit denen die Marke zusammenarbeitet und um die sie sehr bemüht ist, so zumindest empfinde ich es. So sehr, dass ich sogar Objekte anfertige, die von der Welt von Sessùn inspiriert sind, und die mir natürlich oder gerade aufgrund ihrer mediterranen Herkunft sehr nahe steht.

Gibt es zukünftige Projekte, die Du uns ankündigen möchtest?

Nur eins, das mir aber besonders wichtig ist: In dieser wunderbaren Umgebung einen Ort zu finden, an dem ich mich für immer niederlassen kann, ein Haus mit einem Atelier und einer kleinen Künstlerresidenz, damit auch andere diesen Ort kennenlernen, dort arbeiten, sich inspirieren lassen und den Frieden finden können, den ich hier gefunden habe, und dadurch vielleicht eine neue Seite an sich entdecken.

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