Fotografien : FLORIAN TOUZET
Sonnig, inspirierend, zielstrebig... Die Liste der Eigenschaften, die Mina Kandé, die bis zum 24. Juni im Rahmen eines Gastaufenthalts bei Sessùn Alma kocht, beschreiben, ist lang und fröhlich. Sie hatte ihr Aha-Erlebnis, als sie sich im Rahmen einer mündlichen Prüfung in Chinesisch mit einem Text über die Zubereitung frischer Ravioli befassen musste. Ab diesem Moment war ihr klar: Das Kochen sollte zu ihrem Beruf werden. Darauf folgten viele spannende und lehrreiche Erfahrungen in renommierten Pariser Restaurants sowie bei Terre et Blé in ihrer Heimatstadt Saint-Rémy-de-Provence. Für Sessùn Alma hat sie eine freie und spontane Speisekarte zusammengestellt, die vor allem auf Ethik, Geschmack und Genuss setzt.
Würdest Du uns etwas über Deine Herkunft erzählen, den Ort, an dem Du aufgewachsen bist?
ch wurde als Tochter einer französischen Mutter algerischer Herkunft und eines senegalesischen Vaters geboren, der zum Teil in den USA aufgewachsen ist. Ich wurde von meiner Mutter, aber auch von meiner aus Nordfrankreich stammenden Großmutter, und von meinem Pariser Stiefvater (der sich selbst auch als Bretone und vor allem als Bewohner der Vendée sieht) im Herzen der Alpillen, in Saint-Rémy-de-Provence, großgezogen, wo diese ganze kleine Welt zuhause war! Meine Mutter hatte, bevor sie sich ganz ihrer Leidenschaft für Wandteppiche widmete, in der Feriensaison regelmäßig in einem vietnamesischen Restaurant gearbeitet, wo sie so etwas wie ihre zweite Familie gefunden hat. Ich war vier Jahre alt, als ich erstmals mit der vietnamesischen Esskultur in Berührung kam! Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einer Umgebung mit verwirrender Vielfalt. Ich sehe das als Glück und vor allem fühle ich mich als Französin!
Dein Weg hat Dich von der Provence über Paris bis nach Asien geführt: Kannst Du uns erzählen, wie Du zum Kochen kamst?
Trotz der idyllischen Umgebung, in der ich aufgewachsen bin, verspürte ich schon bald Lust, auch andere Kulturen kennenzulernen! Aufgrund meiner Begeisterung für das pazifische Asien und seine Filmkultur, wählte ich im Gymnasium Chinesisch als zweite Sprache. Mit 16 Jahren unternahm ich dann in Begleitung meiner Großmutter eine Reise nach Südkorea. Bepackt mit unseren Rucksäcken und einem kleinen Heft, in dem wir die Namen der Tempel, die wir besuchen wollten in „Hangul" notierten, damit die Busfahrer uns sagen konnten, wo wir aussteigen müssen, erkundeten wir das Landesinnere. Dort entdeckte ich viele raffinierte Mischungen und einen süß/scharfen Geschmack, der für immer auf meiner Zunge verbleiben wird.
Nach dem Abitur besuchte ich das Institut National des Langues et Civilisations Orientales (INALCO) in Paris und begann ein Sprach- und Kulturraumstudium auf Mandarin. Gleich in der Nähe der Universität gab es ein Kino, das südkoreanische Filme zeigte, und in dem ich Stammkundin wurde. Wenn ich mich nicht gerade in einem dunklen Kinosaal befand, war ich in meiner Küche von Kimchi und kleinen Köstlichkeiten aus der Heimat meiner französisch-japanischen Mitbewohnerin umgeben. Über all dem vergaß ich die Uni schnell. Meine Familie ahndete dieses erste Studienjahr als Misserfolg und drängte mich dazu, mein Chinesisch zu verbessern. Also flog ich nach Peking, wo ich als Au-Pair-Mädchen arbeitete und Kurse an der Universität besuchte. Ich verliebte mich dort in die chinesische Kultur und die Menschen. Dort lernte ich auch ein Wort kennen, das mich von jeher geprägt hat, das ich aber nie wirklich einordnen konnte: Hunger!
Auf dem Heimweg von einer mündlichen Prüfung über ein Rezept zur Zubereitung frischer Ravioli, hatte ich dann ein regelrechtes Aha-Erlebnis. Ich wollte das, womit ich einen Großteil meiner Zeit verbrachte, zu meinem Beruf machen. Ich wollte kochen.
Erzähl uns etwas über Deinen beruflichen Werdegang, für welche Restaurants warst Du tätig?
Im Anschluss an meine Ausbildung an der Hotelfachschule begann ich im Restaurant Freddy's im 6. Arrondissement von Paris zu arbeiten. Chefkoch Kazunari Noda bot dort eine meisterhafte Izakaya-Küche rund um ein japanisches Barbecue mit Binchotan an. Es wurde Englisch, Französisch, Chinesisch und Japanisch gesprochen! Ein Jahr später wechselte ich in das benachbarte Restaurant Semilla. Ich erhielt in jedem dieser schönen Betriebe meine Chance und übernahm meine ersten verantwortungsvollen Posten. Eine wohl dosierte Mischung aus Vertrauen und Pädagogik, die von Eric Trochon eingeführt wurde und streng überwacht wird.
Eines Morgens beschloss ich dann das Restaurant Le Servan anzurufen. Irgendwo hatte ich von den Levah-Schwestern gelesen und träumte davon, in ihrer Einrichtung neue Erfahrungen zu sammeln. Am anderen Ende der Leitung fragte mich Tatiana: "Kannst Du in einer Stunde kommen? “. Nachdem sie meinen Lebenslauf gelesen hatte, erwähnte sie das Double Dragon. Ich war hin und weg und sah mich schon dort arbeiten. In diesem Restaurant traf ich Antoine Villard, Victoria Mekkoui... Eine tolle Erfahrung!
Nach dem Lockdown wollte ich dann raus aus der Stadt und das Terroir meiner Kindheit in meiner Küche umsetzen. Im Hotel Voltaire in Arles traf ich zunächst auf Or Michaeli (Chefkoch und Besitzer des Restaurant Golda in Marseille), mit dem ich einige Zeit gemeinsam kochen durfte. Dann ging es weiter nach Saint-Rémy-de-Provence, wo ich Henri de Pazzis traf, der gerade dabei war, sein ausgefallenes Projekt in die Tat umzusetzen! Der ökologische Visionär baute damals bereits seit mehreren Jahren alte Weizensorten an und machte daraus ein ganz besonderes Mehl. Er träumte von einer eigenen Backstube mit Holzofen, um die sprichwörtliche Abfolge Paysan, Meunier, Boulanger - Bauer, Müller, Bäcker - in die Tat umzusetzen. Er wollte sein Brot anbieten und schlug mir vor, darauf aufbauend eine kleine, feste Karte für ein paar Tische in der Backstube auszuarbeiten.
Schon einige Monate später wurde Terre et Blé geboren. Für mich war es wie ein Versuchslabor. Ich konnte dort die mir wichtigen Prinzipien umsetzen: eine Marktküche, ein einheitliches Menü bestehend aus 95% biologischen und lokalen Zutaten. Tierische Proteine standen zweimal pro Woche auf der Karte, wobei diese nie mehr als 30% des Gerichts ausmachten. Im Herbst 2022 verspürte ich dann langsam den Wunsch, mich wieder auf den Weg zu machen, meinen Hunger anderswo zu stillen.
Was erwartest Du von Deinem Gastaufenthalt bei Sessùn Alma?
Ich verbinde keine Erwartungen damit, sondern befinde mich eher in einem Zustand der Hoffnung! Bisher hatte ich großes Glück, meine Entscheidungen haben immer zu schönen und vielfältigen Erfahrungen geführt. Ich habe in der Provence, in Asien, in der Stadt, auf dem Land, biologisch gekocht... Begründet durch meinen Wunsch nach Kohärenz, Lesbarkeit oder vielleicht auch nur aus Angst, keiner bestimmten Küche zugeordnet werden zu können und somit von der Öffentlichkeit gemieden zu werden, habe ich mich bei der Ausarbeitung meiner Gerichte oft selbst zensiert. Bei Sessùn Alma möchte ich nun freier kochen und mich nicht damit belasten, was über meine Küche und im weiteren Sinne auch über mich gesagt wird. Ich habe mir vorgenommen, mich auf das zu konzentrieren, was wirklich zählt: Ethik, Geschmack und Genuss (für den Kunden und für mich).
Was verbindest Du mit Sessùn Alma?
Sessùn Alma ist wie ein fruchtbarer Boden. Hier wird viel angebaut und das, was wächst, wird von Neugierigen geerntet. Ich bin so glücklich, dass mir ein kleines Tütchen mit Samen anvertraut wird!
Was ist Deine schönste Erinnerung an das Kochen?
Die letzten zwei Jahre sind gespickt mit schönen Erinnerungen an das Kochen. Ich habe Freunde aus dem Süden wieder getroffen, mit denen ich häufig in Marseille und Umgebung koche. Ich habe auch das Baïta-Kollektiv kennengelernt, mit dem ich mehrere gemeinsame Projekte durchgeführt habe, von denen eines interessanter als das andere war. Ich denke, meine schönste Erinnerung an das Kochen ist definitiv mit der Picknick-Kultur verbunden, die in unserer schönen Region sehr gepflegt wird, sei es unter einem Olivenbaum im Landesinneren, auf einem Segelboot in einer Bucht im Mittelmeer oder nach einem Ausritt in der Camargue!
Drei Worte, um Deine Küche zu beschreiben?
Süß, bitter, einfach.
Wie hast Du Deine Speisekarte für Deinen Gastaufenthalt bei Sessùn Alma zusammengestellt?
Wie einen reich gedeckten Tisch. Ich habe mir Gerichte vorgestellt, die eine Einheit bilden, die man gleichzeitig essen, teilen sollte... Ich liebe es zu schlemmen und frage mich immer: „Was wäre, wenn ich einfach die Karte rauf und runter bestellen würde?".
Welches Gericht sollte man während Deines Gastaufenthalts bei Sessùn Alma unbedingt probieren?
Ich habe eine Leidenschaft für Flan! Ich bin eigentlich eine sehr schlechte Konditorin, aber wenn Euch bei Eurem Besuch mein Flan über den Weg laufen sollte, dann nehmt ihn ohne zu zögern.
FINDEN SIE DEN LOOK VON MINA KANDE