Begegnungen

Lorraine Grouvel

Montag 11 März 2024

CRÉDIT PHOTOS : Florian Touzet

Fragt man Lorraine, wie sie zur Keramik kam, erzählt sie von einer Initiationsreise nach Usbekistan, von Tongefäßen, die ihre Großmutter aus dem Iran mitgebracht hat, und von ihrer Begeisterung für Handwerkskunst. Sie lässt sich von der Antike, der Natur und der modernen Kunst inspirieren und erforscht Form und Material durch ihre Kreationen, die sie unter dem vielsagenden Namen Apollonie Ceramics vertreibt. Ein Treffen mit einer leidenschaftlichen Künstlerin, deren Arbeit ein Universum voller Poesie und Sensibilität zum Ausdruck bringt.

Warum hast Du dieses kreative Projekt „Apollonie Ceramics" genannt?

Ich bin vor einigen Jahren in einer Ausstellung über das Nouvelle Athènes auf diesen Namen gestoßen, der mir sofort gefallen hat. Er erinnert mich an mein Pariser Wohnviertel, an Griechenland, ein Land, das ich wegen seiner Geschichte, seiner Mythologie, aber auch wegen seiner kargen Landschaften aus Steinen, Kalkmauern und tiefem Blau ganz besonders mag. Außerdem ist der Name ein Sinnbild für die Sonne, die Schönheit, die Kunst, die Poesie...

Mir gefiel die Tatsache, dass es ein Vorname ist, auch wenn er nicht den Anschein danach erweckt, dass er neugierig macht und ein wenig mysteriös klingt, dass er den Ausgangspunkt eines Universums bildet.

Wann und wie hast Du die Keramik für Dich entdeckt?

Der Auslöser waren Reisen. Meine Großmutter hat vor vielen Jahren aus dem Iran Tongefäße mitgebracht, die meine Kindheit geprägt haben. Als Studentin machte ich, sobald es mir möglich war, weite Reisen, auf denen ich grundsätzlich handwerklich angefertigte Kunstwerke kaufte. 2010 besuchte ich zum ersten Mal eine Keramikwerkstatt in Usbekistan und der Gedanke daran blieb irgendwie hängen. 2013 zog ich dann nach Montreal und begann das Handwerk zu erlernen. Die Idee, meine eigenen Gegenstände herzustellen, wurde schnell zu einer Obsession. Zu dieser Zeit entdeckte ich auch das Arts and Crafts Movement und eine neue Generation angelsächsischer Keramiker*innen, die dem Material, auf sehr intuitive und spontane Art, etwas ganz Neues und Kreatives verliehen - das inspirierte mich. Keramik hat etwas Magisches:  die Arbeit mit dem Material, die Alchemie, das weite Feld der Möglichkeiten, aber auch die Rückkehr zur Einfachheit und Langsamkeit, zur Bescheidenheit.

Was sind Deine Inspirationsquellen?

Sie sind sehr vielfältig, das ist klar. Mich faszinieren sowohl die Antike und die Archäologie, die Natur, die Volkskunst sowie alte Traditionen, manchmal aber lasse ich mich auch von Architektur oder moderner Kunst inspirieren.
Was mich oft berührt, ist die Schlichtheit eines Werkes, wie es gelingt etwas Starkes, Poetisches auf sehr einfache Weise auszudrücken.

Wie würdest Du den kreativen Prozess beschreiben, der Deinen Keramikobjekten zugrunde liegt?

Manchmal wird er von einer einfachen Idee angestoßen, einem Thema, das mich interessiert, manchmal von irgendeiner Form. Ich trage immer ein kleines Notizbuch bei mir, in das ich alles, was mir so einfällt, eintrage. Danach probiere ich aus, was mir am besten gefällt. Oft ist es die Anfertigung überraschender und etwas ausgefallener Objekte. Ich mag Projekte, die die Grenze zwischen Kunst und Funktion verschieben oder einen besonderen Gegenstand zweckentfremden, um daraus etwas Rohes zu machen und umgekehrt. Dieser Prozess birgt etwas Vergnügliches und Spielerisches, das mir sehr wichtig ist.

Auf welche Technik greifst Du am häufigsten zurück?

Ich stelle hauptsächlich modellierte Keramik her, dabei nutze ich für ein und dasselbe Objekt oftmals verschiedene Techniken, wie die Daumentechnik, die Plattentechnik und die Wulsttechnik

Wie hast Du dieses Handwerk erlernt?

Ich habe es vor etwa zehn Jahren in Montreal erlernt. Dort habe ich mich einer Gemeinschaftswerkstatt angeschlossen: L'Aluminé. Das war eine tolle Zeit, in der ich durch die Begegnung und den Austausch mit anderen Keramiker*innen sehr viel gelernt habe und viel experimentieren konnte, es war ein echter Freiraum.
Als ich 2020 nach Paris zurückkehrte, musste ich wieder ganz von vorne anfangen, denn die Materialien und Arbeitsweisen waren nicht die gleichen. Dadurch konnte ich meine Vorgehensweise weiterentwickeln.

Welches Objekt repräsentiert Deine Arbeit am besten?

Wenn ich mich für eins entscheiden müsste, würde ich sagen meine Dosen: sie haben eine sehr rohe und ornamentale Seite, die mir gut gefällt. Außerdem mag ich die Vorstellung der Dose als Objekt: Man kann darin Dinge aufbewahren, die einem wichtig sind, Erinnerungen, Worte, persönliche oder wertvolle Gegenstände...

2023 hast Du zusammen mit La Fabrique Nomade eine Schmuckkollektion entwickelt. Kannst Du uns mehr darüber erzählen?

Mir gefiel von jeher die Vorstellung mit unterschiedlichen Materialien zu arbeiten und in verschiedenen handwerklichen Tätigkeiten eine Spielwiese zu finden, die es mir ermöglicht, meinem Universum Ausdruck zu verleihen. So kam es, dass ich in Montreal einen Goldschmiedekurs belegte und Schmuckstücke entwarf, die auf die Formen zurückgingen, die ich damals aus Keramik herstellte.
Ich habe einige Exemplare davon aufgehoben und letztes Jahr kam ich endlich dazu, sie hervorzuholen und eine Kollektion von Ringen und Ohrringen daraus zu erstellen. Zusammen mit der Produktionswerkstatt La Fabrique Nomade, einer in Paris ansässigen Organisation, die sich für die berufliche Eingliederung von Handwerker*innen mit Flüchtlings- und Migrationshintergrund in Frankreich einsetzt, arbeitete ich an einer sehr kleinen, limitierten Serie aus Silber und Gold. Dieses Engagement war mir sehr wichtig.

Was ist zurzeit Dein Highlight am Kunsthimmel?

Die Ausstellung Studio Mumbai in der Fondation Cartier: Hier findet man eine Mischung aus Kunst und Architektur, natürlichen Materialien und traditionellem Know-how, das Ganze aber in einer sehr modernen Verwendung. Das ist wunderschön.

Gibt es zukünftige Projekte, die Du hier gerne ankündigen möchtest?

Diesen Sommer werde ich an einer Künstlerresidenz im Château de la Haute-Borde teilnehmen und an einem eher skulpturalen Projekt arbeiten, das sich mit volkstümlichen Traditionen, Imkereipraktiken und der Tier- und Pflanzenwelt befasst. Ich freue mich schon darauf, es mit Euch zu teilen.

Woran erinnert Dich Sessùn?

An ein sonniges, sensibles Universum, an schöne Materialien. Der Stil ist nie protzig, sondern immer subtil. Die Kontakte, die Sessùn zur kreativen Szene knüpft, ihr Engagement, Handmade-Objekte und Handwerk aufzuwerten, sind Aspekte, die mich ebenfalls sehr ansprechen.

Finden Sie hier den Look von Lorraine Grouvel

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