Begegnungen

Lucia Gaspari

Montag 19 Dezember 2022

BILDNACHWEIS : FLORIAN TOUZET

Wegen ihrer Begeisterung für Feuer und lokale Zutaten, die sie direkt in der freien Natur findet, bezeichnet sich Lucia Gaspari selbst als Handwerkerin, die ihre Rohstoffe kennt und sie mit Respekt zu verarbeiten weiß. Sie stammt aus der Gegend von Verona und studierte an der international renommierten italienischen Kochschule ALMA, bevor sie sich als Wanderköchin selbstständig machte und in Küchen in Kopenhagen, London und Mailand arbeitete. Bis zur endgültigen Umsetzung ihres Traums eines multifunktionalen Gasthofs, in dem gutes Essen, Natur und Handwerk eine harmonische Verbindung eingehen, übernimmt sie die Leitung der Sessùn Alma-Küche, unserer Marseiller Kantine in der Rue Sainte 127, um eine Speisekarte auf Basis unverarbeiteter und naturbelassener Zutaten anzubieten. Noch bis 7. Januar! 

Sie haben eine starke Verbindung zu Venetien - Würden Sie uns etwas darüber erzählen?

Venetien ist meine Region und der Ort, an dem ich den größten Teil meines Lebens verbracht habe. Es ist eine sehr große Region mit einer reichen biologischen Vielfalt, mit Bergen, Seen, dem Meer, flachen Landschaften, Weinbergen, Reisfeldern... Man findet hier viele verschiedene Zutaten und traditionelle Rezepte. Am meisten liebe ich das Umland von Verona, wo es ein wunderschönes Bergplateau gibt, das Lessinia, es birgt viel Charme, Schönheit und Geschichte.

Sie haben an der italienischen Kochschule ALMA* studiert. Was hat Sie dazu bewogen, diesen Weg einzuschlagen?

Ich komme eigentlich aus dem Designbereich. Ich habe einen Abschluss in Kommunikationsdesign gemacht und bin danach nach Berlin gezogen. Dort habe ich angefangen, in Restaurants zu arbeiten, zunächst eher aus Spaß, doch nach ein paar Jahren habe ich mich dann entschieden, Kochen professionell zu erlernen und daraus meinen Beruf zu machen. So bin ich zurück nach Italien gegangen, um dort an der bestmöglichen Schule zu studieren. Die ALMA* ist eine sehr große Schule, an der man viel theoretischen Unterricht hat, wie etwa Gastronomiegeschichte oder Sensorik, aber auch viel Zeit mit Kochen verbringt und den Umgang mit verschiedenen Zutaten und Techniken lernt.

Was hat Sie dazu bewogen, Wanderköchin zu werden?

Es war ein persönliches Bedürfnis: Zeit zu haben, @luce_project zu entwickeln, mir nach Jahren der Arbeit in der Küche etwas mehr Zeit für mich nehmen zu können, mich einer Herausforderung zu stellen und mir die Möglichkeit zu eröffnen, so viel wie möglich zu teilen und mich mit anderen auszutauschen. Ich liebe das Organisieren, die Tatsache, ständig in Bewegung zu sein, die Vielfalt der Situationen sowie die Dynamik und Energie, die sich daraus ergeben. Das ist Teil meines Werdegangs, der mich langfristig zu mehr Stabilität führen wird.

Wann soll Ihr Gasthof, @luce_project, eröffnet werden? Würden Sie uns mehr darüber erzählen?

Das Projekt Luce soll ein multidisziplinärer Ort werden, an dem Essen, Natur, Kunst und Kunsthandwerk aufeinandertreffen. Es ist als locanda konzipiert, in der man essen und logieren kann, soll aber auch Platz für Ateliers und Labors bieten und auf lange Sicht ein Ort für Künstlerresidenzen aller Art werden. Das Haus liegt 930 m über dem Meeresspiegel in den Lessiner Bergen und ist von einem schönen Feld umgeben, auf dem wir gerade einen Obstgarten anlegen und Gemüse anpflanzen. Leider habe ich noch kein genaues Datum für die Eröffnung, da sich das Projekt wegen behördlicher Auflagen etwas in die Länge zieht. Unsere Workshops zum Thema Feuer aber finden in der Zwischenzeit weiter statt.

Erzählen Sie uns mehr über Ihre Beziehung zum Feuer.

Die Nutzung des Feuers ist eine aus Urzeiten stammende Errungenschaft, etwas, mit dem wir alle verbunden sind, es ist die Grundlage unserer Zivilisation, aber gleichzeitig verbindet es sich unweigerlich mit der Natur. Ich habe Chiara, eine Kunstschreinerin, kennengelernt, die sich sehr gut mit Bäumen, Holz und seinen Eigenschaften auskennt. Und wir haben beschlossen, gemeinsam einen Feuer-Workshop anzubieten, in dem die Teilnehmer lernen, die Merkmale von Holz zu erkennen, ein Feuer zu entzünden und mit Werkzeugen aus der Natur zu kochen, und zwar unter ausschließlicher Verwendung von lokalen Produkten.
Das Feuer hat meine Geschmackswahrnehmung verändert, mir geholfen, mehr auf meine Sinne zu achten, es hat mich sehr erstaunt.

Sie sammeln viele Zutaten aus der Natur - Woher kommt diese Praxis?

Das moderne Sammeln leitet sich von der traditionellen Küche ab. Italien ist voll von ländlich geprägten Rezepten, die auf Zutaten basieren, die auf den Feldern geerntet, im Wald oder im Meer gesammelt wurden. Ich bin damit aufgewachsen, einfache, aber sehr schmackhafte Lebensmittel aus der umliegenden Natur zu essen. Sie regen auch die Sinne an, da sie Bitterkeit, Säure, Süße und Schmackhaftigkeit in unverfälschter Form wiedergeben. Es handelt sich fast um ein natürliches Oxymoron, bei dem die einfachsten Geschmäcker zugleich die komplexesten sind. Ich bin gerne in der Natur, sammle Zutaten und verwende sie in meinen Zubereitungen. Diese Zutaten verstärken den Geschmack und verbinden das Gericht mit seiner Herkunftsregion.

Wie identifizieren Sie sich mit den Werten und der Arbeitsweise der cantine von Sessùn Alma?

Meine Annäherung an das Essen ist sehr handwerklich geprägt. Ich bezeichne mich selbst gerne als Handwerkerin, als aktive Beobachterin der Natur, als jemanden, der die Materie kennt und sie mit Respekt zu verarbeiten versteht. Diese Sichtweise möchte ich in die Küche von Sessùn Alma einbringen, indem ich natürliche Zutaten verwende, sie durch meine Gerichte aufwerte und sie dadurch in einen stimmigen Austausch mit ihrer Umgebung treten lasse.

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